Binding, Tim
bloß. Er schlug uns vernichtend, mich vor
allen Dingen, gewann mit sechzig, siebzig, manchmal hundert Punkten Vorsprung.
Gewinnen war für Robin alles, und er sorgte dafür, dass ich das auch wusste.
Sein Benehmen ergab irgendwie keinen Sinn. Wenn du drauf
aus bist, dich beim Vater deiner Freundin beliebt zu machen - was wichtig sein
könnte, wenn die Zeiten hart wurden, und sie würden hart werden, denn Carol war
schließlich die Tochter ihrer Mutter -, müsste eigentlich das oberste Gebot
sein, ihn bei Laune zu halten. Ich hatte das bei Audreys Dad weiß Gott zur
Genüge getan. Und das zweite Gebot wäre, ihn nicht zweimal am Samstag zu demütigen
und dann gleich noch dreimal am Sonntag, selbst wenn's schwerfiel. Aber nicht
so Robin. An jedem Wochenende machte er mich am Brett nach Strich und Faden
fertig. Hätte er einen Funken Anstand im Leibe gehabt, hätte er mich ein- oder
zweimal gewinnen lassen. Er hätte gewusst, dass es Absicht war. Ich hätte
gewusst, dass es Absicht war. Aber wir hätten auch beide gewusst, dass er mir
ein bisschen Respekt zollte, und das hätte ich zu schätzen gewusst. Aber nichts
da. Am Anfang war mir völlig egal, ob ich verlor oder gewann. Es war ein Spiel,
mehr nicht. Aber nach zwei Monaten hatte mich der Ehrgeiz gepackt, den kleinen
Scheißer zu schlagen und, wenn ich könnte, ihm obendrein den Bart abzufackeln.
Offen gestanden, seit der Bart aufgetaucht war, hatte ich auch Probleme im Bett
mit Audrey. Die optische Ähnlichkeit brachte mich aus dem Takt. Ich versuchte,
dagegen anzugehen, schloss die Augen, dachte an irgendwas anderes, zum Beispiel
an die Fische, aber sobald sich so etwas einmal im Kopf eingenistet hat,
kriegst du es schwer wieder raus. Selbst wenn es mir gelang, rechnete ich schon
fast damit, hinterher »Meine Partie, würd ich sagen« zu hören.
Sechs Monate später trat ein, wovor mir die ganze Zeit
gegraut hatte. Robin und Carol verlobten sich. Audrey war hin und weg. Sie
küsste und drückte ihn und holte die Flasche Champagner, die ich für meinen
Geburtstag verwahrt hatte. An dem Abend legte er MARQUIS und MITGIFT aufs
Brett und schlug mich mit einem Vorsprung von dreiundfünfzig Punkten. In der
nächsten Woche verkündete Audrey, dass wir alle zusammen in Urlaub fahren
würden, um uns besser kennenzulernen.
»Er ist jedes Wochenende bei uns«, sagte ich. »Ich kenne
ihn bereits.«
»Das nennt man Beziehungen vertiefen. So was machen
Menschen, wenn es drauf ankommt. Es geht um die Zukunft unserer Tochter.
Außerdem fahren wir nie in Urlaub.«
Sie sah meinen Gesichtsausdruck.
»Wir fahren, Al. Ich hab mir alles genau überlegt. Es geht
in den Lake District. Laut Prospekt leben dort lauter Dichter. Stell dir vor,
wie romantisch das ist, sie da herumwandern zu sehen, wie sie sich Reime ausdenken.«
»Es ist verflucht weit, Audrey, bis zum Lake District. Ich
fände irgendwo näher an zu Hause geeigneter. Am Meer.«
»Ich hab das Meer satt, jeden Tag derselbe Anblick.«
Das konnte ich gut nachempfinden. Also auf zum Lake
District.
VIER
Ich bin noch nie gern in Urlaub gefahren. Die ganze
Packerei, die Reiserei, der Einheitsfraß, den du und die anderen siebenhundert
Trottel vorgesetzt bekommen, wie Schweine am Trog. Denn genau das bist du im
Grunde genommen, ein Schwein am Trog, das angeschrien wird, herumgestupst,
hierhin und dorthin gescheucht, in Flugzeuge verfrachtet, in Züge gepfercht,
das stundenlang irgendwo Schlange steht und irgendwann völlig willenlos am
Ziel ankommt. Und wozu? Um in einen papierdünnen Verschlag gestopft und an
einen Strand getrieben zu werden, wo Sonnenliegen wie Särge nach einem
Erdbeben aufgereiht sind, braun gebrannte Schürzenjäger vorbeischlendern,
deine Frauen taxieren, beschissene Handtücher und durchsichtige Armreifen made in China verkaufen. Du kannst nichts anderes
machen als essen, schlafen, trinken und in regelmäßigen Abständen das Frauchen
bespringen, denn genau das macht ein Schwein: essen, schlafen, trinken und,
wie und falls erwünscht, für dreißig Sekunden rauf auf die Sau. Das ist kein
Urlaub. Das ist ein Arbeitslager. Und du bezahlst auch noch dafür.
Ich hab das mal eine Zeit lang gemacht, als ich jünger
war, bin auf diese Insel nicht weit von Oberst Gaddafi gefahren, Malta, das
Land der Lederhandtaschen und Schutthaufen. Damals waren die wichtigsten
Zutaten glasklar: so viel Bier, wie mein Magen fassen konnte, und jeden Tag
eine andere Braut, hab häufig nicht mal nach ihrem Namen
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