Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
Vom Netzwerk:
grausamste Monat? Was ist dann mit September, wenn all die
hübschen Urlaubsflirts plötzlich wieder nach Hause abdüsen und dich dir selbst
überlassen? April? April ist schon fast Mai, und der bedeutet die Rückkehr von
nackten Beinen und kurzen Röcken.
    »T. S. wer?«, sagte ich.
    Er blickte nach unten auf seine Schuhe, ein kleines
Grinsen um die Lippen. Hatte ich mir gedacht.
    »T. S. Eliot. Einer unserer berühmtesten Dichter. Literaturnobelpreisträger.
Jedenfalls, T. S. Eliot hat mal in London ein Taxi genommen, und als er
einstieg, sagte der Taxifahrer: >Sie sind T. S. Eliot, nicht?< Und T. S.
Eliot sagte: >Ja, richtig. Woher wissen Sie das?< Und der Taxifahrer
sagte: Ach, ich kenne alle berühmten Leute. Ich hab ein gutes Gedächtnis für
Gesichter. Erst neulich saß Bertrand Russell genau da, wo Sie jetzt sitzen.
Und ich zu ihm: >Sie sind Bertrand Russell, der berühmte Philosoph,
nicht?<, und er: >Ja, stimmt.< Und ich: >Na, Sir Bertrand, dann
lassen Sie mal hören. Ich würd nämlich furchtbar gern wissen, worauf es
ankommt.< Und wissen Sie was? Er konnte es mir nicht sagen.<«
    Und Robin schlug sich klatschend auf die Schenkel und fing
an zu lachen. Carol gab ihm einen Klaps auf den Po und fing an zu lachen.
Audrey boxte ihm gegen den Arm und fing an zu lachen. Und dann lachten sie alle
drei und kriegten sich nicht mehr ein. Ich hätte ihn auf der Stelle abmurksen
können und ihn gern oben auf der Beule begraben, mit etwas guter altmodischer
Spatenarbeit.
    »Konnte ihm was nicht sagen?«, fragte ich.
    »Was?« Robin kämpfte mit den Tränen.
    »Konnte ihm was nicht sagen?«, wiederholte ich.
    Robin hörte auf zu lachen, blickte Carol an. Carol hörte
auf zu lachen, blickte Audrey an. Audrey hörte auf zu lachen, blickte mich an.
    »Worauf es ankommt«, sagte Robin.
    »Was ankommt?«
    »Na, alles eben«, sagte er mit Nachdruck. »Im Leben.«
Plötzlich war die Geschichte nicht mehr lustig.
    Ich schüttelte den Kopf. »Wieso sollte er wissen, worauf
es im Leben ankommt? Bloß, weil er viel nachdenkt?«
    »Dad. Das war ein Witz.«
    »Ja, aber er hat weder Hand noch Fuß, Kleines. Ich meine,
selbst wenn er es tatsächlich wusste, hätte er es wohl kaum einfach so vom Rücksitz
eines Taxis aus erklären können. Ich meine, das, worauf es im Leben ankommt,
ist doch wohl ein bisschen komplizierter? Oder, Robin?«
    »Ich schätze, ja.«
    »Natürlich ist es das. Das ist das Problem mit solchen
Witzen. Die sind was für Neunmalkluge. Bei näherem Hinsehen sind sie nicht
mehr lustig. Meine Witze mögen ja ein bisschen derb sein, Mosen und Bischöfe
und College-Boys, die denken, sie wissen alles, aber wenigstens sind und bleiben
sie lustig. Was machen die Koteletts, Liebste? Lange genug gegart?«
    Wir aßen zu Abend. Er hatte hervorragende Tischmanieren,
dieser Robin, steckte sich die Serviette in den Kragen, legte Messer und Gabel
jedes Mal hin, wenn er kauen wollte, und weit und breit waren keine Ellbogen zu
sehen. Nach dem Auflauf gab's Windbeutel mit Vanillecreme. Carol warf Robin
unter ihren Wimpern hindurch immer wieder vielsagende Blicke zu. Nicht in
meinem Haus, ausgeschlossen. Anschließend nahm ich die beiden mit zu den
Fischen. Kaum hatte ich das Unterwasserlicht eingeschaltet, fingen die Kois an
zu scharwenzeln, vor lauter Begeisterung, dass ich da war. Wir betrachteten
sie, und ihre Farben schimmerten im zitternden Wasser.
    »Das da ist Torvill«, sagte ich, als sie an uns
vorbeiflitzte. »Ist sie nicht ein Prachtstück?«
    »Sehr nett«, sagte Robin. »Aber was macht sie - was machen
die beiden?«
    »Was sie machen? Es sind Fische, Robin. Sie machen gar nichts, außer dass sie mir das Herz aufgehen
lassen, weil sie die schönsten Geschöpfe sind, die Gott je ersonnen hat. Bis
auf unsere Carol natürlich.«
    »Was ist mit mir?« Audrey stand hinter uns. Ich hatte
nicht gemerkt, dass sie mitgekommen war. »An welcher Stelle komme ich in deinem
großen Plan des Lebens? Vor oder nach den Fischen?«
    »Das ist eine Fangfrage, Audrey.«
    »Extra für dich. Kaffee, Robin?«
    Wir marschierten zurück ins Wohnzimmer. Audrey hatte das
beste Kaffeeservice rausgeholt und einen Teller mit Minzschokoladenplätzchen
hingestellt, die noch von Weihnachten übrig geblieben waren.
    »So«, sagte sie, als wir alle saßen. »Was machen wir
jetzt?«
    Robin beugte sich vor, und seine Augen glänzten.
    »Ich hab genau das Richtige«, sagte er. Er griff in seine
Jackentasche und holte eine kleine schwarze Schachtel

Weitere Kostenlose Bücher