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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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gefragt. Abfüllen und
aufs Kreuz legen, das war mein Motto. Wieder zu Hause, war ich einfach nur
angewidert, von denen, von mir, hatte die Faxen dicke; wie langweilig das
alles gewesen war, wie öde und sinnlos, wie routinemäßig. Trotzdem musste ich
es machen. Ich hatte keine Wahl. Ich war ein Schwein. Hatte nur Augen für den
Trog.
    Und dann fuhr ich irgendwann nicht mehr hin. Ich erinnerte
mich an den Ort, von dem mir Mum immer erzählt hatte, oben im Peak District, wo
ihre Mum herstammte, und ich fuhr hin, unternahm nichts Besonderes, lungerte
bloß herum, kutschierte durch die Gegend, trank das Bier aus der Region,
unterhielt mich mit Leuten, die ich nie wiedersehen würde. Keine
Frauenaufreißerei, keine viertägigen Sauftouren, nicht mal eine unfaire
Prügelei mit jemandem, der kleiner war als ich, bloß Ruhe und Frieden und in
schön sauberer Bettwäsche aufwachen. Und soll ich Ihnen was sagen? Als ich
nach Hause kam, hatte ich ein rundum gutes Gefühl, so als müsste es gar nicht
so sein wie vorher. Von da an fuhr ich ab und an zu irgendwelchen beschaulichen
Orten im Land, in die Cotswolds, in den New Forest, wieder hoch in den Peak District,
Orte mit Flüssen und Steinbrücken und Pubs, wo ich in einer Ecke sitzen konnte,
niemand sein musste, kein Protzer, kein Blender, nicht mal ein Gesicht. Ich
verriet keinem zu Hause, wo ich gewesen war. Es hätte sich total komisch
angehört, Al Greenwood macht mutterseelenallein Urlaub im Heimatland. Nicht gut
fürs Image. Ich probierte es einmal mit Audrey, nachdem wir frisch zusammen waren,
aber sie wollte immer nur Prospekte wälzen und überall wandern, alles sehen,
alles durchplanen, und damit kam ich nicht klar. Dann schon lieber vierzehn
Tage Pauschalurlaub, ihr den Rücken mit Sonnenmilch einreiben, sie ab und an
umdrehen. Aber jetzt, diese Idee mit dem Lake District. Ich hatte das Gefühl,
als würden sie sich in mein ganz privates Ich einschleichen, das versteckt gewesen
war, von dem keiner wusste. Das gefiel mir nicht. Aber was hatte ich für eine
Wahl? Es ging um das zukünftige Glück meiner Tochter, oder?
    Ich lieh mir von einem Kumpel ein Wohnmobil. Es hatte
alles, eine Kochnische mit Herd und Kühlschrank, ein kleines Chemieklo
gegenüber der Haupttür, ein richtiges Schlafzimmer im hinteren Teil mit
Doppelbett und Fernseher an der Decke und eine Sitzgarnitur für sechs im vorderen
Teil, die sich abends zu einem zweiten Doppelbett umfunktionieren ließ. Nicht
viel Privatsphäre hinter den Vorhängen, aber das war das Problem von
Mensa-Mann, nicht meins. Ich schaffte den Alkohol rein, und wir brachen auf,
Audrey, Robin und Carol, Monty der Hund und ich.
    Bei so einem Urlaub braucht man vor allem eines, nämlich
gutes Wetter. Man muss mal raus, sich gegenseitig Luft zum Atmen geben. Wenn
ein Pärchen Lust auf eine Besichtigung des Sydney-Opernhauses hat oder auf
anständigen Zoff, dann müssen die anderen beiden sich verdünnisieren können,
in den Pub gehen, eine Wanderung machen, das unnatürliche Verlangen entwickeln,
sich zweieinhalb Stunden lang das örtliche Bleistiftmuseum anzutun. So sind nun
mal die Regeln. Es war schon schlimm genug gewesen jedes Wochenende zu viert
im Bungalow, aber im Wohnmobil war der Stress einfach vorprogrammiert.
    Es fing schon mal nicht gut an. Am ersten Tag rutschte
Carol beim Gassigehen mit Monty im Schlamm aus und verstauchte sich den
Knöchel. Am zweiten Tag flammte Audrey sich die Augenbrauen weg, als sie den
Gasherd anzünden wollte. Am dritten Tag fing es an zu regnen. Wir wurden gegen
fünf Uhr davon wach. Um acht war schon nichts anderes mehr zu sehen als Nebel
und Dunkelheit, das Grün um uns herum verwandelte sich in Wasser, der Himmel,
niedrig und bedrohlich, rückte uns auf die Pelle, als gäbe es kein Entrinnen.
Das war kein normaler Regen, wie man ihn schon mal im Urlaub hat, eher die
gewaltige biblische Spielart, für die Noah die Arche zusammengezimmert hat.
Ich rechnete schon fast damit, dass zwei Giraffen um die Ecke kämen und nach
dem Landungssteg suchten. Wir konnten nichts anderes tun als den Morgen
aussitzen.
    Zu dem Zeitpunkt ging Robin mir schon ordentlich auf den
Senkel. Es fing an mit dem täglichen Brief, den er morgens als Erstes seiner
Mum schrieb. Mrs Eileen Parker, schrieb er auf den Umschlag und in Klammern
dahinter (MUM!). Ich meine, wir hätten das wohl alle machen sollen, unserer Mum
schreiben, die uns geliebt hat, ihr so was wie eine kleine Rettungsleine der
Hoffnung und Erinnerung

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