Binding, Tim
Backsteinen.
Komisch, ich hatte gedacht, ich würde sie auf Anhieb finden, aber ich brauchte
doch ein oder zwei Minuten und dann noch mal eine ganze Weile, um sie wieder
zu lockern, doch schließlich hatte ich sie draußen. Und da war es, Robins
kleines Scrabble-Set, eingepackt in eine Mitnehmtüte von Mr Singh's Curry
House. Ich nahm es heraus, blies den Staub weg, legte es aufs Autodach und
öffnete es. Es war alles da. Der Drehbleistift, das Ledersäckchen mit den
Buchstabensteinen, die vier Ablagebänkchen, das Brett mit den kleinen
Messingscharnieren, alles so gut wie neu, sogar der Notizblock für den
Punktestand und das Taschenwörterbuch. Das Wörterbuch hatte er auf dem Berg
nicht bei sich gehabt, aber als ich den Camper ausgeräumt hatte, bevor ich ihn
zurückbrachte, hatte ich es auf dem Regal stehen sehen und zu dem Rest in die
Tüte gepackt. Das komplette Set. Ich hatte alles beisammen. Ich nahm den
Notizblock, blätterte die Seiten durch. Es war noch alles da, sämtliche
Partien, die wir in dem Sommer gespielt hatten, Robins saubere und pingelige
Handschrift, sein Siegpunktestand jedes Mal unterstrichen, auch die letzte
Partie, wo der Punktestand nicht nur unterstrichen war, sondern Audrey
obendrein eine Reihe niederträchtige, dicke Ausrufezeichen dahintergemalt
hatte. Auch das hatte ich ganz vergessen. Na, sie konnte mich mal. Und Carol
konnte mich auch mal. Undankbares Biest. Es wäre niemals gut gegangen, wenn
Carol so einen Schummler geheiratet hätte. Ich hatte ihr einen Gefallen getan.
Ohne mich hätte sie Bruno das Beuteltier niemals an Land gezogen, hätte niemals
erlebt, wie toll es ist, im Bikini den Weihnachtstruthahn zu füllen. Schön,
ihr wäre auch nicht das Bein knapp über dem Knie abgebissen worden, aber so ist
nun mal das Leben, nicht? Du kannst nie wissen, wann es dir einen Hai auf den
Leib hetzt.
Ich packte alles wieder ein und ging damit ins Haus. Ich
hatte die Partie anständig und ehrlich gewonnen. Wenn er mir den Sieg nicht
abgeluchst hätte, wäre vielleicht alles anders gekommen, aber er hatte ja
nicht anders gekonnt. Okay, es war falsch gewesen, ihm das Scrabble-Set
abzunehmen, aber so was passiert nun mal im Eifer des Gefechts. Jetzt hatte
ich es ausgegraben, und ich würde es auf keinen Fall wieder verstecken, Carol
hin oder her. Es war ein besonderes Set, wie der Citroën, dafür da, benutzt zu
werden. Im Gefängnis wird dir erst so richtig klar, wie wertvoll solche Dinge
sind. Blind Lionel würde vielleicht mal Lust auf ein Spielchen haben. Womöglich
sogar Mrs Blackstock. Ein paar Joints, ein oder zwei Wodka, um die
Gehirnzellen wieder in Schwung zu bringen, wieso nicht? Könnte ein super Abend
werden.
FÜNF
I ch rief die gute alte
Schnüffelnase an, aber sie war nicht da. Entweder das, oder sie verdrehte sich
gerade auf ihrer Matte. Ich rief den Anwalt an, Mr Pritchard. Fünfundsechzig
Riesen bot der Staat mir für meine Zeit im Knast. Mr Pritchard wollte unbedingt
mehr rausschlagen, ich dagegen war durchaus gewillt, das Geld zu nehmen und
die Sache endgültig abzuhaken. Ich war nicht gerade scharf darauf, dass sie zu
viel herumstöberten. Keine Ahnung, was sie noch alles finden würden.
Fünfundsechzigtausend und eine weiße Weste wären mir mehr als recht.
Als Nächstes rief ich Adam Rump an. Er hatte nicht damit
gerechnet, von mir zu hören.
»MrGreenwood. Was kann ich für Sie tun? Es gibt doch
hoffentlich kein Problem mit Ihrer Entlassung?« Er war nervös. Keine große
Überraschung in Anbetracht dessen, dass er mir die vier Jahre Knast eingebrockt
hatte.
»Keine Sorge, Inspector«, erwiderte ich. »Es lief alles
glatt wie Schmierseife. Aber wäre es möglich, dass wir uns mal treffen? Privat,
meine ich.« Ich konnte hören, wie er die Luft durch die Zähne einsog.
»Ich halte das ehrlich gesagt nicht für ratsam, Mr
Greenwood. Wenn Sie Klagen haben, schlagen Sie besser den Dienstweg ein, obwohl
Sie, wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, versuchen sollten, nach vorne zu
schauen, nicht zurück, so schmerzhaft die Vergangenheit auch war. Wir haben
alle in gutem Glauben gehandelt, was Ihnen hoffentlich klar ist, auch wenn wir
den Falschen erwischt haben. Oder sollte ich sagen, die Falsche.« Er lachte
nervös auf. An seiner Stelle wäre ich auch nervös gewesen.
»Naja«, sagte ich. »Im großen Weltenplan spielt es wohl
kaum eine Rolle, wenn dem Leben eines Mannes ein paar Jährchen geklaut werden.
Wenigstens hatte ich die Gesellschaft meiner Kois.
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