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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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wahrscheinlich
zurückgezogen, aber ich war auf einer Mission. Ich schob den Kopf ganz
vorsichtig um die Ecke. Das Bettzeug lag auf einem Haufen, aber das
interessierte mich nicht. Ich blickte auf das Regal an der Wand, wo das
Scrabble-Set stand, der Pokal und das, worauf ich es abgesehen hatte, sein
Wörterbuch.
    »Oh Gott, Carol«, sagte Robin auf einmal. »Eumel.
Scheißeumel«, und ein Fuß tauchte aus dem Nichts auf und fing an, gegen die
Wand zu knallen. Alles auf dem Regal geriet ins Rutschen. Ich streckte den Arm
aus. Das Wörterbuch fiel mir in die Hand. Ich wusste, was ich darin finden
würde.
    Ich nahm es mit in die Kochnische und machte Licht. Ich
blätterte die Seiten bis zum E durch, das erste Mal im Leben, dass ich
überhaupt ein Wörterbuch benutzte. Es war allerdings nicht schwierig. Durch
Scrabble war ich an Buchstaben gewöhnt. Eber, Ehre, ich
blätterte schneller, konnte es nicht erwarten, ans Ziel zu kommen. Dann war ich
bei den Wörtern, die mit EU anfingen. Eucharistie,
Eukalyptus, und dann dick und fett: EUMEL. Es stand im Wörterbuch, es galt also doch. Robin
hatte mich gelinkt. Und das wusste er.
    Ich ging wieder ins Bett, schaltete das Licht ein, stupste
Audrey an.
    »Audrey, wach auf. Ich muss dir was zeigen.« Audrey schob
mich weg.
    »Herrje, Al, lass endlich gut sein. Außerdem, wer will
denn schon dein Eumelchen sehen?« Und sie drehte sich lachend wieder weg, um
weiterzuschlafen. Humor ist der Leim, der eine Ehe zusammenhält, nicht wahr?
    Ich wartete zwanzig Minuten, schlich mich dann wieder aus
dem Bett und stellte das Wörterbuch zurück ins Regal. Carol und Robin träumten
den Traum junger Liebe. Ich nahm seine Schottenpantoffeln mit aufs Chemieklo,
pinkelte rein und stellte sie zurück vors Bett. Als ich wieder neben Audrey
lag, schlang ich meinen Arm um sie und drückte sie fest.
    »Gute Nacht, Schatz«, sagte ich und gab ihr einen
schmatzenden Kuss auf den Hals. Danach schlief ich problemlos ein.
    Am nächsten Morgen war die Welt wie verwandelt. Der Dunst
hatte sich gelichtet, die Sonne schien. Ich kochte Tee für uns alle. Beim
Frühstück saß Robin mit nackten Füßen am Tisch und schrieb an seine Mutter,
Carol wusch seine Pantoffeln in der Spüle aus. Audrey nahm Monty mit nach
draußen und verpasste ihm eine ordentliche Abreibung. Glückliche Familien
sehen anders aus. Als Robin fertig war, wollte er eine Wanderung machen, doch
Carols verstauchter Knöchel tat noch immer weh, und Audrey traute sich nicht in
die Öffentlichkeit, solange ihre Augenbrauen nicht nachgewachsen waren.
    »Geh du doch mit, Al«, schlug sie vor. »Ein bisschen Bewegung
würde dir guttun.«
    Ich war der Letzte, der da widersprochen hätte.
    »Gute Idee«, sagte ich. »Ein paar Sandwiches, eine Dose
Bier, das Scrabble-Set für eine schnelle Partie auf dem Gipfel. Klingt super.«
    »Find ich auch.« Robin strahlte übers ganze Gesicht.
»Scrabble auf einem Berg. Das wäre das erste Mal. Wir haben's noch nie auf
einem Berg gemacht, nicht, Carol?«
    Carol schüttelte den Kopf.
    »Und vergiss nicht, deinen Brief einzuwerfen«, sagte
Audrey zu ihm. »Ich hoffe, du hast ihr von gestern Abend erzählt, von deiner
Glanzleistung.«
    »Ich war ziemlich genial, nicht?«, pflichtete er ihr bei
und sagte dann mit einem Grinsen zu mir: »Hast du dein Handy eingesteckt, Al?
Meins hat keinen Saft mehr. Was bin ich bloß für ein Eumel.« Ich sagte nichts,
klopfte nur auf meine Tasche.
    Wir fuhren zu so einem Wanderparkplatz. Robin wollte hoch
auf den Crinkle Crags. Ich zog mir ein Paar gute alte Schuhe und einen
Fischerpullover an. Durch so einen geht nichts durch. Robin hatte seine Norfolkjacke
an und trug eine Mütze wie Sherlock Holmes. Als wir losstapften, winkte Carol,
die auf den Stufen vom Wohnmobil stand, mit Montys Pfote hinter uns her. Es war
ein furchtbar langer Marsch, zuerst an einer Farm vorbei, über eine Fußgängerbrücke,
und dann rauf auf den Berg. Ich war vorher nie viel gewandert, nicht in dem
Stil, einen Fuß vor den anderen, und es war anstrengender, als ich gedacht
hatte. Aber das würde ich dem kleinen Besserwisser nicht sagen. Er war ein
alter Hase, das sah ich. Es fing ganz harmlos an, der Pfad einigermaßen breit,
die Steigung kaum der Rede wert, doch ehe du wusstest, wie dir geschah, wurde
es deutlich schwieriger. Der Pfad wurde schmaler, steiler. Mit einem Mal
fühlten sich meine Füße bleiern an. Einen vor den anderen zu setzen war kein
Kinderspiel mehr, im Gegenteil, es war verdammt

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