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Binding, Tim

Binding, Tim

Titel: Binding, Tim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fischnapping
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Und genau darüber möchte
ich mit Ihnen reden. Ich bin zwar gerade erst raus, aber angesichts meines
makellosen Rufes dachte ich, eine Erneuerung meiner Klubmitgliedschaft wäre
durchaus angebracht, vielleicht ohne den Pflichtbeitrag, wenn man die Umstände
berücksichtigt. Ich meine, ich war schließlich gerade erst eingetreten, als Sie
mich ins Kittchen gebracht haben. Ich hab für mein Geld nicht viel bekommen, da
werden Sie mir doch wohl recht geben.«
    »Sie haben jeden Monat den Klubrundbrief erhalten ...«
    »Der auch immer sehr informativ war. Ich hab Torvill und
Dean fast jeden Abend daraus vorgelesen. Dennoch, ich dachte, wir sollten uns
mal treffen, über das eine oder andere Fischthema reden. Es ist doch bestimmt
allerhand passiert in den letzten vier Jahren.«
    »Das kann man wohl sagen. Erst kürzlich hat es zum
Beispiel beachtliche Fortschritte in der Behandlung von Kropfgeschwülsten
gegeben. Was die Mitgliedschaft betrifft, da wird der Ausschuss sich
sicherlich meiner Empfehlung anschließen.«
    Wir verabredeten uns für den nächsten Tag, wenn er
dienstfrei hatte, in den Water Gardens außerhalb von Dorchester. Er wollte sich
dort ein paar tropische Teiche ansehen, sich »inspirieren lassen«, wie er
sagte. Immer noch derselbe alte Rump. Ich ging bei Alice Blackstock vorbei,
warf ihr einen Scheck durch den Briefschlitz, den ich auf den nächsten Monat
datiert hatte. Auf die Rückseite des Umschlags hatte ich geschrieben: »Lust auf
eine Partie Scrabble?« Sie hatte kein Geld für den Citroën haben wollen, aber
ich gab ihr trotzdem welches, fünfzehn Riesen. Der Wagen war wahrscheinlich
viermal so viel wert. Wie dem auch sei, lieber fünfzehntausend hinblättern und
draußen sein als in irgendeinem rattenverseuchten Knast vergammeln und keinen
roten Heller kassieren. Ich brachte ihn auf Hochglanz, seifte das Dach
gründlich ein, dann die lang gezogene, schräg abfallende Motorhaube, bis ich
mit einer Hand den Boden berührte. Ich versuchte, den Gedanken zu verdrängen,
aber selbst das, wie mein Kopf nach unten schaute, Arm und Körper folgten, war
wie eine Botschaft, wohin ich zu gehen hatte, dass ich mich dem Dämon noch
einmal stellen musste. Vier Jahre war es her. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit.
    Ich hatte nur den Anzug vom Gefängnis, der eigentlich viel
zu warm war, aber ich ging trotzdem los. Ich nahm die Abkürzung hintenrum,
genau wie an dem Nachmittag damals. Der Regen hatte aufgehört, die Luft war
nass und schwül, und Dampf stieg von den Blättern und Ästen auf, als wäre ich
in einem tropischen türkischen Bad. Der Pfad war weniger ausgetreten, als ich
in Erinnerung hatte, und rutschig unter den Schuhen. Hin und wieder musste ich
mich an Stellen, wo er von den Hecken überwuchert war, regelrecht durchzwängen,
nasse Zweige klatschten mir ins Gesicht, meine Hose sah vorne aus, als hätte
ich mich gerade vollgepinkelt. Es war fast so, als wäre hier niemand mehr
langgegangen seit damals. Dann war ich über den Zaunübertritt, vorbei an den
ausgedienten Viehtrögen und auf der steilen Steigung hoch zur Beule. Der Himmel
klarte allmählich auf, und als ich oben war, brach die Sonne durch, voll und
stark. Ich habe noch nie zu den Leuten gehört, die sich endlos darüber
auslassen können, wie toll es ist, am Meer zu leben. Die dort leben und
arbeiten, verlieren darüber kein Wort, sie nehmen es einfach hin, doch je näher
ich kam, desto stärker konnte ich es spüren, es fraß sich in meinen Bauch, wie
ein Schmerz, der betäubt worden war und wieder erwachte. So etwas erlebst du
nirgendwo anders als am Meer, dieses Reißen in der Luft, diesen Schlag ins
Gesicht, dieses Ziehen an den Knochen. Das Atmen tat fast weh.
    Und dann war ich da, blickte nach unten über den leuchtend
grünen Abhang und die wogende Masse dahinter und das Loch aus leerem Himmel
dazwischen. Ich zog die Jacke aus, warf sie mir über die Schulter. Es war blau,
das Meer, blauer, als ich es je erlebt hatte, tief und langsam rollend, als
wäre es im Bett und auch gerade aufgewacht. Genauso ist das Meer, immer, es
wartet auf jemanden, um ihn zu wecken, ihn in die Arme zu nehmen. So war es
damals an dem Sonntagnachmittag, als es auf mich wartete, auf sie wartete,
darauf wartete, dass das kleine Spiel begann. Und so war es auch jetzt. Nur war
es jetzt nicht ganz so wie damals. Ich merkte plötzlich, dass der Ginsterbusch
nicht mehr da war, in dem ich Audrey aufgelauert hatte. Bis auf ein Büschel
dichtes Gras war es so, als

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