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Bindung und Sucht

Bindung und Sucht

Titel: Bindung und Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Heinz Brisch
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ihr Suchtverhalten reduzieren können; sie greifen dann lieber auf die neuen Beziehungserfahrungen als auf das Suchtmittel zurück.
    Therapiebeispiel Tom
    Der 43-jährige Tom galt als »Mister Erfolgreich«. Er wurde als Kind von seinen Eltern stark emotional missbraucht, indem sie ihn aufgrund ihrer Erfahrungen emotionaler Vernachlässigung und ihrer depressiven Stimmung zur eigenen narzisstischen »Versorgung« und Kompensation brauchten – bzw. eben missbrauchten. Er war ein hochbegabter Schüler, der durch seine exzellenten schulischen Leistungen seinen Eltern große Freude machte; mit seinen Erfolgen wurde er gleichzeitig von den Eltern gebraucht, um eine fröhliche Stimmung zu erreichen, und diente ihnen als »Ersatzdroge« gegen die eigenen narzisstischen Defizite und Depressionen. Das heißt, er wurde nicht um seiner selbst willen geliebt, sondern dafür, dass er hervorragende Leistungen brachte und strahlte.
    Studium und Promotion absolvierte er mit Auszeichnung, er machte eine rasante Karriere, heiratete, bekam Kinder und arbeitete im Schnitt 70 bis 80 Wochenstunden und mehr. Dabei blieb ihm natürlich keine Zeit mehr für seine Frau und seine Kinder. Schließlich trennte sich seine Ehefrau von ihm und zog mit seinen Kindern von ihm fort, worauf er noch mehr arbeitete, schließlich ein Burn-out-Syndrom entwickelte und in eine jetzt für alle sichtbare Depression hineingeriet, so dass er nicht mehr so leistungsfähig war wie zuvor. Er hatte genügend finanzielle Ressourcen und fing in dieser Depression an, an der Börse zu spekulieren; hieraus entwickelte sich eine handfeste Spielsucht, die zu großen finanziellen Verlusten führte. Schließlich begann er mit Alkohol und Kokain seine jetzt noch stärker als zuvor ausgeprägten depressiven Gefühle zu kompensieren, letztlich mit der Folge, dass er zu einem stationären Entzug und zu einer Psychotherapie in eine Klinik aufgenommen wurde. Erst in der Therapie konnte Tom erfahren, dass er auch ohne Erfolg, auch ohne Geld, ebenso ohne ständig »strahlende« Leistungen und übergroßes Engagement ein liebenswerter Mensch war; gerade in der Gruppentherapie machte er erstmals in seinem Leben die Erfahrung, dass er von anderen wegen seines Humors und seiner liebevollen Art, also einfach als der Mensch, der er war, gemocht und geliebt wurde.
Zusammenfassung
    Bindungserfahrungen sind überlebenswichtig. Ohne das damit verbundene Gefühl von Urvertrauen ist es sehr schwierig, stressvolle Erfahrungen zu durchleben bzw. durchzustehen. Hat ein Mensch keine guten Erfahrungen einer Stresskoregulation durch frühe sichere Bindungserfahrungen mit seinen Bindungspersonen gemacht, bleibt er oft in hoch stressvollen Situationen alleine,dekompensiert und greift dann zu Suchtmitteln, die ihm als Surrogat für die fehlende sichere Bindungserfahrung dienen. In der Therapie geht es darum, eine sichere therapeutische Bindung aufzubauen und in einer mehrere Perspektiven umfassenden Behandlung traumatische Erfahrungen, Sucht und auch psychosoziale Problemen im Auge zu behalten; dadurch können dem Klienten in der therapeutischen Beziehung neue Möglichkeiten der Stressregulation vermittelt werden (Besser 2006; Junker 2007; Kunzke 2008; Lüdecke et al. 2010). Auf diese Weise wird es möglich, zunächst ansatzweise, dann zunehmend auf das Suchtmittel zu verzichten, der Klient stabilisiert sich und es wird möglich, gezielt auch das Suchtgedächtnis (vgl. hierzu auch den Beitrag von Hase in diesem Band) mit traumatherapeutischen Methoden zu bearbeiten (Besser 2006). Insgesamt ist dabei eine große Flexibilität und Variabilität des Settings vonnöten, d. h. es ist erforderlich, dem Patienten bei aufkommenden Stresserfahrungen auch außerhalb der Therapiestunden über SMS oder übers Telefon zur Verfügung zu stehen, weil der Suchtdruck in den Anfangszeiten der Therapie sonst wieder über Suchtmittel kompensiert wird.
    Bei stoffgebundenen Süchten ist zunächst eine Entgiftung notwendig, aber die Bearbeitung der psychischen Abhängigkeit kann anschließend entsprechend bindungsorientiert in einem ambulanten – oder noch besser einem stationären – Setting mit entsprechender emotionaler Dichte und Intensität durchgeführt werden. Solche Therapien können dann auch erfolgreich sein.
Prävention durch SAFE®-Spezial »Sucht«
    Mit unserem Präventionsprojekt »SAFE ® – sichere Ausbildung für Eltern« ist es uns gelungen, immer wieder auch Eltern, die bereits Suchterfahrungen hatten,

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