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Bindung und Sucht

Bindung und Sucht

Titel: Bindung und Sucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Heinz Brisch
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wir 30 drogenabhängige und substituierteMütter, 13 davon abstinent (»clean«), 17 im Methadonprogramm, erreicht und die Kontrollgruppe (31 Dyaden) so erweitert, dass wir zwei gleich starke Untergruppen bilden konnten: eine mit besonders »bewussten« Müttern mit Kindern ohne irgendeine Diagnose, die z. B. am PEKiP (Prager Eltern-Kind-Programm; vgl. http://www.pekip.de/ ) teilnahmen (n = 15), und die andere mit Müttern, deren Babys Patienten eines Frühförderzentrums waren, also Kinder, die Regulationsstörungen aufwiesen, aber ohne eine Suchtproblematik im Hintergrund (n = 16). Im Folgenden wird über die drogenabhängigen und die substituierten Mütter als über eine Gruppe berichtet.
    Abb. 1: Untersuchungsablauf (nähere Angaben zu den verwendeten Instrumenten finden sich bei Trost 2003)
    Obwohl es sich lediglich um eine Querschnittsuntersuchung ohne Anspruch auf eine kontinuierliche therapeutische Beziehung handelte, gingen wir angesichts der sensiblen Lebensphase der betroffenen Mütter davon aus, dass zumindest ansatzweise Übertragungswünsche entstehen würden, und haben die Untersuchungssituation nach therapeutischen Prinzipien gestaltet, wie das Ablaufschema (Abb. 1, S. 117) zeigt und im weiteren Verlauf erläutert wird.
Drogenkonsum
    Sämtliche Mütter, die illegale Drogen konsumiert hatten und die nicht in einem Methadonprogramm waren, nahmen nach unserer Kenntnis zum Untersuchungszeitpunkt keine Drogen, drei von ihnen nahmen aktuell an einer Entwöhnungsbehandlung teil.
    Mütter, die aufgrund ihrer Drogenabhängigkeit ihren Alltag nur wenig verlässlich strukturieren können, waren für uns nicht erreichbar, viele von ihnen leben bereits kurz nach der Geburt nicht mehr mit ihren Säuglingen zusammen. Das heißt, es handelt sich bei unserer Stichprobe bereits um eine Positivauswahl, was die Fähigkeit zur Strukturgebung bei den von Drogenabhängigkeit betroffenen Müttern angeht. Sechs der 30 Klientinnen mit Drogenproblematik waren nie opiatabhängig. Bei ihnen lag ein intensiver Missbrauch von Kokain, Cannabis und Designerdrogen vor.
    80 % der ehemals drogenabhängigen und substituierten Klientinnen bezeichneten sich als aktuell tabakabhängig. Das ist leider ein häufiger Befund und im Hinblick auf die Schwangerschaft und das aktuelle Leben des Babys besorgniserregend. Nur 13 % hatten zu Beginn der Schwangerschaft mit dem Rauchen aufgehört. Allen war bewusst, dass Rauchen in Gegenwart des Kindes problematisch ist, einige gaben an, dass sie darauf Rücksicht nähmen. Rauchen in der Schwangerschaft ist mittlerweile als unabhängige Variable nachgewiesen, die einen Zusammenhang mit der Entwicklung von ADHS zeigte (Laucht et al. 2007).
Lebenssituation
    Die meisten Klientinnen mit Drogenproblemen befanden sich – im Unterschied zu den Eltern der Kontrollkinder – in einer schwierigen Lebenssituation. Viele lebten allein, fast alle bezogen Sozialhilfe, die Mehrheit war durch Arbeitslosigkeit und/oder Kriminalität belastet.
    63 % der Klientinnen mit Drogenproblemen hatten in ihrer Kindheit physische oder psychische Gewalt, Vernachlässigung oder sexuellen Missbrauch erlebt, im Unterschied zu nur 6 % bei den Kontrollmüttern. Solche traumatischen Erfahrungen der Bezugsperson disponieren zu einem desorganisierten Bindungsverhalten mit entsprechender Auswirkung beim Kind.
    Im statistischen Vergleich korrelieren diese Erfahrungen mit Depressivität (Spearman’s Rho = .486), Unempfänglichkeit der Mutter für kindliche Bedürfnisse (.530) und niedrigen intuitiven elterlichen Kompetenzen insgesamt (.383), d. h. die Mütter mit Gewalterfahrungen sind viel häufiger depressiv und können sich viel schlechter auf die Bedürfnisse ihres Babys einstellen als solche ohne diesen Hintergrund.
Schwangerschaft, Geburt und erste postnatale Phase
    Bezüglich des Schwangerschafts- und Geburtsverlaufs gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen, allerdings in Bezug aufs Stillen: Nur wenige Mütter mit Drogenproblemen haben ihr Kind gestillt, und das auch nur kurz. Dies entspricht der in Deutschland üblichen Praxis, methadonsubstituierten Müttern vom Stillen abzuraten (Kattner 1997), eine Haltung, die aufgrund der Erfahrungen in anderen Ländern kontrovers diskutiert werden kann (Gerada 1994). Mittlerweile mehren sich auch bei uns die Stimmen, die den Nachteil der Übertragung von Opiaten auf das Baby durch den Vorteil der beziehungsstiftenden Stillaktivität mehr als ausgeglichen sehen (Kästner et

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