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Biografie eines zufälligen Wunders - Roman

Biografie eines zufälligen Wunders - Roman

Titel: Biografie eines zufälligen Wunders - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Residenz
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Verkäufer musste eindeutig ein Perverser sein, da gab es für Lena keinen Zweifel.
    Derjenige, der mit all diesen anatomischen Details handelte, war jung und hieß Mischa. Er hatte bläuliche Wangen und auch das Weiße in den Augen hatte bei ihm einen Blaustich, was Lena nicht weiter verwunderte. Blaue Augen, nicht sehr groß, eher klein, kurze Haare, Bauchansatz, in Sommershorts und Badeschlappen – genau so stellte sie sich einen Triebtäter vor.
    Mischa trug immer dasselbe T-Shirt mit der Aufschrift »Vegetarier sind auch Fleisch«. Das T-Shirt war mit Blutspritzern besudelt, deren Ursprung sich nicht hundertprozentig feststellen ließ.
    »Sag einmal, wo kriegst du die Schweinsköpfe her?«, begann Lena, als sie ihn zum ersten Mal ansprach.
    Mischa blickte sie spöttisch an und sagte nichts.
    »Bekannte von mir kommen jeden Monat zu dir … Sie kaufen einen Schweinskopf … den sie dann essen …«
    »Und?«
    »Weißt du, wen ich meine? Ein Mann und eine Frau, sie schauen ein bisschen … arm … aus.«
    »Ich habe viele Kunden. Ich muss mich nicht an jeden erinnern können. Und keiner von denen schwimmt im Geld, so viel ist sicher.«
    »Aber die beiden vergisst man nicht so leicht. Die haben so … ganz spezielle Gesichter.«
    Mischa stach gerade der nächsten Sau die Augen aus. Er war wie gemacht für diesen Job.
    »Was willst du?«, fragte er Lena genervt.
    »Ich will, dass du ihnen keine Schweinsköpfe mehr verkaufst.«
    »Wieso sollte ich? Stehe ich zum Spaß hier, oder was?«
    »Ich werde dich bezahlen.«
    Mischa war sichtlich verwundert. Lena fuhr fort. Sie hatte einen klaren Plan.
    »Verstehst du, ich finde es nicht gut, dass sie die Schweinsköpfe essen. Es ist mir unangenehm, mir das vorzustellen oder auch nur davon zu wissen. Ich bezahle dich und du verkaufst ihnen normales Fleisch. So viel, dass es für einen Monat reicht. Nicht zu viel, ich esse ja auch nicht jeden Tag Fleisch, aber, na ja, du weißt schon, eben so viel, dass sie einen Monat lang damit auskommen. Sie müssen nichts davon wissen.«
    Lena breitete ihre bescheidenen Ersparnisse, die sie seit Langem aus den Taschen ihres Vaters gefischt hatte, vor Mischa auf dem Tisch aus. Lenas Vater ging sehr unvorsichtig mit seinem Geld um, und wenn es überhaupt welches gab, dann war es überall verteilt. Der Vater bemerkte den Fehlbetrag nicht, weil er nie wusste, wie viel noch übrig war. Das rettete Lena, als sie zu rauchen anfing und ständig nach Finanzierungsquellen für ihre nächste Packung Zigaretten suchte.
    »Okay«, sagte Mischa und schob Lenas Geld mit dem Unterarm zu sich her, »aber … du solltest bedenken, die beiden sind nicht die Einzigen, die bei mir Schweinsköpfe kaufen. Da sind noch mehr.«
    Lena war auch auf dieses kleine Problem vorbereitet.
    Sie sagte:
    »Andere Leute interessieren mich nicht. Sie sollen essen, was sie wollen. Hauptsache, die beiden hören damit auf.«
    In der Folge schaute Lena immer wieder bei Mischa vorbei, um nach dem Rechten zu sehen.
    »Deine Turteltäubchen waren heute da«, berichtete Mischa, »hab ihnen Fleisch verkauft.«
    »Und? Haben sie sich nicht gewundert? Haben sie nichts gesagt?«
    »Nein, nichts gesagt, die haben einfach nur das Fleisch geschnappt und waren weg. Die werden sich gedacht haben, ich hätte mich geirrt und könnte es ihnen wieder wegnehmen.«
    Lena war überglücklich. Sie stellte sich vor, wie das Pärchen vom Bahnhof nach Hause kommt und die Frau mit den Lippenstiftresten ihrem Mann Fleischlaibchen brät. Oder Saftfleisch kocht. Oder sonst irgendwas, das sie kennt und kochen kann. Lena war bewusst, dass die zwei wohl kaum mit dem Trinken aufhören würden, aber immerhin wirkt der Wodka bei gefülltem Magen ganz anders auf den Organismus. Nach einem guten Essen hat man keine Lust mehr aufs Trinken. Stattdessen will man schlafen. Lena kannte das von ihrem Großvater. Nach dem Essen legte er sich immer aufs Ohr. Und wenn er trank, aß er nicht.
    »Wie alt bist du eigentlich?«, fragte Mischa, der Fleischer.
    »Sechzehn, ich werde bald siebzehn. Ich werde in diesem Jahr schon studieren.«
    »Fast siebzehn und immer noch so …« – Mischa beendete den Satz nicht.
    »Was? Blöd? Nein, ich bin nicht blöd. Ich habe einfach einen klaren Plan.«
    »Und wie schaut der aus?«
    Lena sagte nichts, und Mischa drängte sie auch nicht.
    Bei ihrem zehnten Date ließ sie zu, dass er sie küsste. Es war Lenas erster Kuss, und sie verriet ihm das auch. Mischa antwortete:
    »Willst du deswegen

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