Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Erbgutveränderungen identifiziert, bei denen irgendwo in der DNA ein einzelner Baustein ausgetauscht ist (sogenannte SNPs, Single Nucleotide Polymorphisms), die das genetische Risiko einer Parkinson-Erkrankung zu erhöhen scheinen. 42
Damit hat Eriksson nicht nur bewiesen, dass Brins Idee einer onlinegestützten Biomarker-Suche umsetzbar ist, sondern gleichzeitig eine der von der Patientenzahl her bislang größten Parkinson-Studien überhaupt realisiert. Sie dauerte nur wenige Wochen, kostete vergleichsweise wenig Geld, und niemand musste für sie den Platz am Computer verlassen.
Studien wie diese, die die Entwicklung der Probanden und Patienten nicht über Jahre begleiten und sich vor allem auf deren Auskünfte aus einem Fragebogen stützen, gelten allgemein als vergleichsweise weniger aussagekräftig. Dass Erikssons Daten-Bergbau aber durchaus relevante Ergebnisse zu Tage fördern kann, zeigt etwa das Beispiel eines einzelnen Gens namens GBA: Das Ergebnis einer großen und teuren Studie, die sechs Jahre dauerte, 64 Forscher und 5500 Probanden beanspruchte, lautete, dass Parkinson-Patienten rund fünf Mal häufiger eine markante Mutation im GBA-Gen tragen als der Rest der Bevölkerung. Innerhalb von 20 Minuten konnte Eriksson die gleiche Beziehung allein durch eine Abfrage der Datenbank nachweisen, in der die Informationen über die rund 180 000 23andMe-Kunden und 3000 Parkinson-Patienten gespeichert waren.
Diese Methode wird die biomedizinische Forschung ohne Zweifel verändern und die klassischen Studien zumindest sinnvoll ergänzen. Vielleicht sind sie auch der Beginn einer Revolution. „Wir machennicht eine Studie mit einem Gen und einer Krankheit um eine bestimmte Hypothese zu beantworten“, sagt Eriksson, „sondern wir machen Tausende von Studien gleichzeitig, die alle das gesamte Erbgut durchsuchen, ohne irgendeine Hypothese zu verfolgen, welches Gen welche Krankheit auslösen könnte.“ Allerdings kann die Methode nur statistische Zusammenhänge finden, aus denen noch keine sicheren Schlüsse über Ursache und Wirkung möglich sind.
Auf diese Idee eines Daten-Bergbaus („Data-Mining“) sind auch schon andere gekommen. Und die Methode hat auch bereits einige für Patienten sehr wichtige Ergebnisse produziert. Forscher der Stanford University etwa haben Meldungen über Nebenwirkungen von Medikamenten durchsucht, die bei der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA gespeichert sind. Sie fanden heraus, dass eine gleichzeitige Einnahme des Antidepressivums Paxil und des Cholesterinsenkers Pravachol den Blutzuckerspiegel deutlich erhöht und so Zuckerkranke gefährdet – nur durch Datenbankrecherche. Und Daten von acht Millionen gespeicherten Patienten des kalifornischen Pflegekonzerns Kaiser Permamente trugen 2004 dazu bei, dass das Schmerzmittel Vioxx der Firma Merck vom Markt genommen wurde. Hier stand eine hohe Dosis des Medikaments in Zusammenhang mit einer statistisch signifikant erhöhten Rate von Herzinfarkten.
Patienten und Bürger, die freiwillig, informiert und möglichst auch anonymisiert ihre gesundheitsbezogenen und auch andere oft sehr privaten Daten solchen „in-silico“-Studien zur Verfügung stellen, können also zu sinnvoller Forschung und damit eventuell auch ihnen selbst zugute kommenden Medikamenten beitragen.
Von Deutschland aus stellen die Studenten Bastian Greshake, Fabian Zimmer und Philipp Bayer Menschen, die eine 23andMe- oder DecodeMe-Analyse hinter sich haben, ein Forum namens openSNP zur Verfügung. Jedes Mitglied kann dort seine Gendaten über opensnp.org in eine Datenbank hochladen und damit innerhalb der openSNP-Community öffentlich machen. Auf diesem Wege lassen sich einerseits Literaturhinweise und Diskussionspartner finden, mit denen sich die Mitglieder austauschen können über einzelne, zum Beispiel Krankheiten prognostizierende Genvarianten. Andererseits stellt die openSNP-Datenbank auch wieder eine Ressource für Forscher dar, die nach Zusammenhängen zwischen bestimmten Genvarianten und Krankheiten oder Eigenschaften suchen. Allerdings sind zum Zeitpunkt, als dieses Buch Redaktionsschluss hat, erst etwas mehr als 600 Datensätze hinterlegt, sodass noch keine Massenstudien möglich sind, wie sie etwa 23andMe bereits durchführen kann. Dennoch hat openSNP schon unter anderem den Entwicklerpreis „Binary Battle“ vom Webservice Mendeley und der Public Library of Science (PLOS) gewonnen. 43
Das bislang vielleicht am hellsten leuchtende Beispiel für
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