Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Konzentration“, erzählt Swan.
Mittlerweile liegen Daten von 27 Freiwilligen vor. „Wir fanden heraus, dass für die meisten von uns ein günstiges B12-Präparat völlig ausreicht.“ Diese konnten also auf teurere Produkte, die das bereits aktivierte Vitamin enthalten, verzichten. Für McCauley zeigte sich jedoch ein anderes Bild. Er muss, laut den Ergebnissen seiner Bluttests, die teurere Variante kaufen, weil seine körpereigenen Enzyme das aktive Molekül nicht selbst aus dem inaktiven B-Vitamin herstellen können. In der Woche, in der er nicht die aktivierte Vitamin-Variante einnahm, stieg seine Homocystein-Konzentration im Blut auf Werte deutlich jenseits der als unbedenklich geltenden Norm.
Solche eher kleinen Studien lassen, ob nun mit sieben oder 27 Teilnehmern, meist kaum generelle Rückschlüsse zu. Dessen sind sich auch McCauley und Swan bewusst. Sie hoffen darauf, dass ihr Ansatz die Massen mobilisieren und damit auch große Datenmengen produzieren kann. Die wären nötig, um aus vielen einzelnen Beobachtungen am jeweils eigenen Körper Empfehlungen für die Bevölkerung – und eben für spezielle Gruppen in der Bevölkerung – ableiten zu können.
Ansätze wie der von Swan und McCauley entsprechen noch bei weitem nicht den rigorosen Standards klinischer Studien. Das siehtauch George Church so, Direktor für „Personal Genomics“ an der Harvard University. Im Gegensatz zu anderen, die solche Initiativen eher sinnlos oder gar – wegen ihrer Fehleranfälligkeit und der Gefahr von falschen Interpretationen – gefährlich finden, erkennt er ein Potenzial einer Bürger-Bewegung, die große Mengen von Daten sammelt: „Angesichts all der Dinge, die Bürgerforscher tun können – Astronomie, Wetter, Geologie, Fossiliensuche –, hat dies vermutlich den größten Einfluss auf das Leben der Menschen“, sagte Church dem Nerd-Magazin Wired vor einiger Zeit. 40 Einen Tyrannosaurus zu finden, fände er auch „cool“, doch so etwas entscheide nicht über Leben und Tod. „Aber es wäre eine große Sache, eine Familie zu entdecken, die trotz der Mutation im Huntington-Gen den verheerenden Auswirkungen dieser Krankheit entkommen kann.“ Denn in ihren Genen müssten irgendwo auch ein paar Erbanlagen stecken, die die Krankheit verhindern, und auf deren Grundlage ließe sich nach Medikamenten suchen. Ähnlich aufschlussreich könnte es sein, eine Diabetes-freie Familie zu finden, die aber alle Risikofaktoren für die Krankheit trägt. Ob diese Ausnahmegenome irgendwo existieren, weiß natürlich niemand. Aber wenn es sie gibt, dann sei es unwahrscheinlich, dass Forscher im Labor sie aufspüren, so Church. Dafür würden Bürgerforscher gebraucht.
Der Ansatz der Health Hacker ist auch noch aus einem anderen Grund wichtig: Studien, bei denen Tausende Probanden teilgenommen haben, nivellieren die individuellen Unterschiede dieser Probanden. Ihr Ziel sind schließlich statistisch signifikante Aussagen, die zu Empfehlungen für einen fiktiven Durchschnitts-Patienten führen sollen. Doch damit wird die Aussage in Bezug auf das Individuum nahezu wertlos. Wären etwa McCauley und seine Mitstreiter neben vielen anderen Probanden Teilnehmer einer großen Vitamin-B-Studie gewesen, dann hätte deren Ergebnis vielleicht gelautet, dass nicht aktiviertes Vitamin B statistisch gesehen völlig ausreicht. Das wäre dann eine sinnvolle Nachricht und Handlungsanweisung für den statistischen Durchschnittsmenschen gewesen. Für Leute wie Ray aber eher nicht. Er ist nichts als ein statistischer Ausreißer, irrelevant und alleingelassen.
Eine „individualisierte“ oder „personalisierte“ Medizin wird gerne als vielversprechender Weg in eine Zukunft der für jeden Einzelnenverschiedenen, aber umso sinnvolleren Therapien proklamiert. Bislang sind dabei ein paar für bestimmte Patienten-Untergruppen wirksame, aber sehr teure Medikamente herausgekommen, zum Beispiel Herceptin für eine genetische Variante von Brustkrebs. Ray und Co. versuchen nichts anderes, wollen aber erst einmal keine neuen individuellen Medikamente entwickeln, sondern nur die vorhandenen Möglichkeiten, inklusive der Nahrungsergänzungsmittel, individuell zuschneidern helfen.
Rund ein Dutzend Studien haben Swan und McCauley inzwischen initiiert. Der Andrang wahrer Massen ist bislang ausgeblieben, schließlich kostet jede Studie jeden Teilnehmer Geld oder Zeit oder mitunter auch etwas Blut. Das bedeutet aber nicht, dass die Idee des Crowdsourcing von
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