Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Bioamateur-Umgebung alles möglich ist. Wir wollten nicht einfach nur mitspekulieren, zitieren und paraphrasieren. Wir wollten konkret wissen, was machbar ist, und dafür mussten wir selbst experimentieren. Wir wollten herausfinden, wie weit wir oder andere Biohackerin einem improvisierten Labor kommen könnten. Wir haben mit potenziell gefährlichen Genen hantiert. Wir sind auf dem Weg, der uns in die Lage versetzt hätte, eines der stärksten Gifte der Welt brauen zu können, so weit gegangen, wie es gerade noch legal war und wir es verantworten konnten. Wir können jetzt besser nachvollziehen, was Osterholm gemeint hat. Aber der Reihe nach.
Da stehen die Wunderbäume, etwas unterhalb der Leber. Mit etwa drei, vielleicht vier Metern Höhe überragen die grünroten Büsche das übrige Grünzeug in der Arzneipflanzen-Abteilung des Botanischen Gartens in Berlin. Die Beete sind hier in Form eines Menschen und seiner Organe angelegt. Lavendel, Baldrian und Johanniskraut wachsen wegen der nervenberuhigenden Wirkung im „Kopf“-Beet, der Wollige Fingerhut Digitalis lanata im „Herzen“, und der Wunderbaum Ricinus communis , aus dessen Samen Öl gegen Verstopfungen gewonnen werden kann, sprießt in der „Magen-Darm“-Parzelle. Ein Schild mit einem Totenkopf darauf warnt vor der Giftigkeit der Samen, und auch die leuchtend rote Farbe der klettenähnlichen Früchte wirkt irgendwie alarmierend. Wie jeder Besucher könnten wir ein paar Samen mitnehmen und ein wenig Gift, Rizin, daraus gewinnen. Aus zehn der marmorierten Kapseln ließen sich drei Milligramm reines Rizin extrahieren, genug, um fünf Erwachsene zuverlässig ins Jenseits zu befördern.
Doch wir haben anderes im Sinn, wir wollen versuchen, uns den Code für das Gift zu besorgen: das Gen, das die Bauanleitung für das Rizin-Protein enthält, von dem schon winzige Mengen Leber und Niere schädigen und nach wenigen Tagen zum Tod führen können. Unweigerlich, es gibt kein Gegenmittel. Gerade dieser Umstand hat das Gift in Terror- und Geheimdienstkreisen populär gemacht. Es wurde etwa dem bulgarischen Dissidenten Georgi Markov zum Verhängnis, der 1978 mit einem Rizin-beladenen Schrotkorn umgebracht wurde, das aus einer Regenschirmspitze abgefeuert worden war.
Es war nicht der einzige Anschlag mit dem Wunderbaum-Gift. Rizin-Pulver wurde 2004 im Postamt des US-Senats gefunden. Und im gleichen Jahr flogen islamistische Extremisten in Frankreich auf, die ein Rizin-Attentat vorbereitet haben sollen. Auch das Terrornetzwerk al-Qaida soll mit Rizin experimentiert haben.
Die Behörden sind also alarmiert. Das gesamte Gen, das aus etwas mehr als 1730 Basen-Bausteinen besteht, bei einer Firma zu ordern, die künstliche Gene herstellt, ist praktisch nicht möglich, wenn man nicht in einem ausgewiesenen Labor forscht. Denn jede Bestellung wird dort von einer Sicherheitssoftware kontrolliert, bevor die Herstellung gestartet wird. Dabei wird jede Gensequenz, die mindestens 200 Bausteine lang ist, mit einer Datenbank abgeglichen, in der alle bekannten Gene gespeichert sind. Findet die Software dann eine Übereinstimmung (ein „Match“) der bestellten Sequenz mit einem Gen wie dem für Rizin, wird die Bestellung storniert – und die Polizei informiert. 48 Denn solche Erbanlagen stehen auf einer Liste der sicherheitsrelevanten Gene.
Doch wir müssen das ganze Gen gar nicht von einer Biotech-Firma kaufen. Es steckt schließlich abertausendfach zum Beispiel in einem Stück Blatt vom Wunderbaum. Ein solches stecken wir hier im Botanischen Garten in einem unbeobachteten Moment in ein mitgebrachtes steriles Plastikröhrchen. Noch nicht einmal das wäre nötig gewesen, denn das Gen ist auch in Rizinus-Samen enthalten, die man problemlos für 1,50 Euro pro Tütchen im Internet bestellen kann, und auch in Rizinus-Öl ließe es sich sicher finden. Wer wirklich an das Gen herankommen will, braucht dafür also weder Gensynthese-Firmen, noch muss er zum Blattdieb werden.
Wir versuchen es mit dem Blatt. Um das Rizin-Gen aus dem Erbgut der Pflanze herauszuholen, benötigen wir nur ein Paar kurze, 20 Bausteine lange DNA-Abschnitte. Die geben Anfang und Ende des Gens im Erbgut für eine Vervielfältigung im PCR-Automaten vor. Und an sie können wir tatsächlich nur über eine Bestellung bei einer auf DNA-Synthese spezialisierten Firma herankommen.
Wir sind uns nicht sicher, ob die Firmen, die solche Primer genannten DNA-Stücke herstellen, auch diese mit der Datenbank
Weitere Kostenlose Bücher