Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Pharmafirmen übergeordnet werden. „Ich bin jedes Mal entsetzt, wenn Ärzte zwar stolz personalisierte Gentests durchführen, aber die Daten dann nicht an die Patienten zurückgeben“, sagt Melanie Swan. „Das wollen wir mit DIYgenomics ändern, sodass man mit seinen eigenen Daten etwas anfangen kann.“
Als Gegenargument wird oft ins Feld geführt, dass der offene Umgang mit persönlichen Gendaten mehr Nachteile als Vorteile haben könnte. Gerade Informationen über Risiko-Gene, bei denen das Ausmaß des Risikos nicht beziffert werden kann oder gegen deren Wirkung es bislang keine Therapien gibt, können vielleicht tatsächlich eher verunsichern, als dass sie hilfreich sind. Melanie Swan schüttelt allerdings den Kopf: „Ganz im Gegenteil, ich denke, dass die allgemeine Zugänglichkeit von Gendaten geholfen hat, Gesundheitsfragen zu entstigmatisieren.“ Das hier sei ja keine „Gattaca-Welt“, sagt sie. Sie meint das Zukunftsszenario jenes Hollywood-Films, in dem nur Karriere macht, wer die richtigen Genkombinationen hat. Stattdessen habe „jeder von uns irgendetwas, ein etwas erhöhtes Krebsrisiko der eine, eine höhere Diabetes-Wahrscheinlichkeit der andere.“ Und je mehr wir über Daten reden würden, umso weniger Stigma sei damit verbunden und umso mehr könne man die Probleme angehen.
Man muss ihre Sicht nicht teilen, denn sie ist so individuell wie die Gene der Teilnehmer der Studien, die sie auf den Weg zu bringen versucht. Tatsächlich geht es vor allem darum, frei entscheiden zu können, welche Informationen man will und auf welche man lieber verzichtet. Das „Recht auf Nichtwissen“ ist laut deutscher Rechtsprechung Teil des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung. 46 Es ist ein individuelles Recht. Bezogen auf Gendaten bedeutet es, dass jeder und jede selbst entscheiden darf, wie viel er oder sie wissen will und auf welche Informationen er oder sie lieber verzichtet. Über den Kopf der Bürger festlegen zu wollen, welche Informationen für sie gut sind und welche nicht, wäre tatsächlich anmaßend und unserer Meinung nach grundgesetzwidrig.
Auch der Blick in das eigene Erbgut ist, so meinen wir, ein Grundrecht eines jeden Bürgers, genauso wie der Verzicht auf diesen Blick. Bürger bei der Interpretation dessen, was sie in ihren Genen sehen, zu unterstützen und objektiv und uneigennützig zu beraten, sollte die Pflicht von Ärzten, des Staates und auch jener Unternehmen sein, die diesen Blick ermöglichen.
Ganz andere Blicke werfen möchten die freundlichen Polizeibehörden und Geheimdienste – in die Labors der Biohacker. Auf was für unterschiedliche Weise etwa das FBI dies tut, unter anderem darum geht es im folgenden Kapitel.
Kapitel 8 ...
... in dem wir ein Gen für eins der gefährlichsten natürlichen Gifte in die Finger bekommen und massenhaft vermehren, nun auch selber direkt Kontakt mit dem FBI haben, jemanden treffen, der schon einmal sehr unangenehmen Kontakt mit dem FBI hatte, in dem wir an den Möglichkeiten einer freundlichen Zusammenarbeit zwischen Hackern und Geheimdiensten zweifeln, uns an einer lockeren Mischung aus Juristen- und Biologendeutsch erfreuen und uns klar wird, dass sich nicht Polizei- und Geheimdienste, sondern Profi-Forscher um die Biohacker-Bewegung kümmern müssen ...
SAG HI ZUM FBI
Manche Akademiker zweifeln noch am Sinn von DIY-Forschung und glauben nicht, dass auch ungeschulte Amateure Genanalyse und Gentechnik betreiben können. Wir selber wissen inzwischen, dass es zwar schwierig ist, aber möglich. Und gestandene Biosicherheitsexperten bekommen bereits Angst, wenn sie an Genbastler in Garagen nur denken.
Im Frühjahr 2012 stritt die Fachwelt rund um den Globus und dazu ungezählte Journalisten, ob die Anleitung zur Herstellung von im Tierversuch extrem gefährlichen Grippeviren veröffentlicht werden oder besser unter Verschluss bleiben sollte. Und plötzlich waren auch Amateure ein Thema. Michael Osterholm etwa, Virusforscher an der University of Minnesota und Mitglied des National Science Advisory Board for Biosecurity der Vereinigten Staaten, äußerte sich ausdrücklich besorgt darüber, dass jemand in seinem Keller oder seiner Garage ein Killervirus konstruieren könnte, „nur weil er wissen will, ob er es könnte“. 47
Wir wollten auch wissen, was wir könnten. Seit ein paar Jahren hatte es immer wieder journalistische Artikel über die Biohacker-Bewegung gegeben – voller Spekulationen darüber, was in einer
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