Biohacking - Gentechnik aus der Garage
Dekontaminationsvorrichtungen 50 – würden uns und die Menschen um uns herum ausreichend vor den Gefahren schützen, die wir heranzüchten könnten. Eine sterile Werkbank haben wir zwar in John Schloendorns Untergrundlabor im Silicon Valley gesehen. Er hat darin Zellkulturen angelegt, die er vor Keimen aus der Außenluft schützen musste. So wie die Filter dieser Anlagen nichts hineinlassen, so kann auch nichts entfleuchen. Eine solche Ausstattung ist die Minimalanforderung für das Arbeiten mit Krankheitserregern, und Johns Labor war (siehe Kapitel 2) eigentlich alles andere als eine DIY-Biobastelbude.
Spekulieren kann man viel, auch über Idioten, die – möglicherweise ohne sich selbst ausreichend zu schützen – mit gefährlichen Mikroben zu hantieren bereit sein könnten. Wir wollen aber lieber zunächst einmal bei den Dingen bleiben, über die wir einigermaßen informierte Aussagen treffen können. Dazu gehört, dass jene technischen Voraussetzungen für ein sicheres Arbeiten mit gefährlichen Erregern in einem Amateur-Setting gegenwärtig kaum realisierbar sind – im Gegensatz zu einem staatlich oder von anderen finanzkräftigen Organisationen geförderten Labor. Vielsagend ist hier das Beispiel der bislang ernsthaftesten Bioterroranschläge, bei denen in den USA 2001 mehrere Postangestellte an Infektionen mit Milzbrand-Erregern aus verseuchten Briefen starben. Laut FBI waren sie Resultat der Aktivitäten des Forschers Bruce Ivins aus den Hochsicherheitslabors von Fort Detrick im US-Bundesstaat Maryland.
Auch andere staatliche Programme zur Verteidigungsforschung bergen reale Gefahren. Mal besser, mal schlechter versteckt vor der Öffentlichkeit, testen Geheimdienste in Planspielen aus, was Bioterroristen anstellen könnten. Zu diesem Zwecke startete etwa das amerikanische Verteidigungsministerium zur Regierungszeit von Bill Clinton den Versuch, eine funktionierende Biowaffenfabrik in der Wüste von Nevada zu installieren. Angeblich ohne dass der Präsident davon wusste, zogen Agenten los und kauften alle notwendigen Teile auf dem freien Markt ein, setzten sie zusammen und nahmen die Anlage schließlich in den Testbetrieb. Sie wollten keine Biowaffen herstellen, sie wollten wissen, was möglich ist. Es war nichts anderes als ein Hack.
Es muss aber ja nicht gleich eine ganze Fabrik sein. Inzwischen wissen wir, wie einfach man jederzeit an gefährliche Gene oder Genfragmente herankommen kann. Und wir wissen, dass man in einem Heimlabor ohne Lebensgefahr zwar kein Killervirus, höchstwahrscheinlich aber zumindest Bakterien mit bedrohlichen Fähigkeiten züchten könnte.
Aber warum sollten Do-it-yourself-Biologen, die gerade aus Neugier ihre ersten Genkopien angefertigt haben, eine größere Gefahr darstellen als professionelle Biologen in hervorragend ausgestatteten Labors? In denen kann man noch ganz andere Dinge anstellen, zum Beispiel vollkommen neue Mikroorganismen erschaffen, wieder Biotech-Pionier Craig Venter. Oder man kann, wie der deutschstämmige Virologe Eckard Wimmer, einen bekannten Killer nachbauen. In seinem Labor an der New York State University setzte er das Genom des Poliovirus, das Kinderlähmung verursacht, aus kleinen genetischen Einzelteilen neu zusammen. Synthetische Biologen wie Venter und Wimmer nutzten und nutzen allerdings Methoden, die bislang in keinem der Labors, die wir besucht haben, auch nur im Ansatz umgesetzt werden könnten. Doch das kann sich ändern. Wie lange es bis dahin dauert, kann niemand vorhersehen. Unser Eindruck ist: noch ziemlich lange.
Bislang ist die Möglichkeit der gentechnischen Erschaffung gefährlicher Keime in erster Linie eine Frage von Ausrüstung, Ausbildung und Motivation. Wenn die Gentechnologie aber immer einfacher wird, wird es irgendwann vielleicht wirklich nur noch eine Frage der Motivation sein. Trotzdem wäre es vollkommen unsinnig, deshalb einen gentechnischen Teufel an die Wand zu malen, und das aus gleich ein paar Gründen. Der wichtigste ist, dass man die hier notwendige Art von Motivation schlicht sehr selten antrifft. Das ist zumindest gegenwärtig so, sonst gäbe es längst ubiquitären Bioterror. Denn tatsächlich ist dieser schon heute, und schon seit einiger Zeit, ganz ohne Gentechnik mit Grundkenntnissen in der Kultivierung von Bakterien ziemlich einfach machbar. „Solche Leute“, sagt Wimmer, „können bereits existente Erreger nutzen, wie zum Beispiel das Ehec-Bakterium, und über das Gemüse sprühen.“ Bioterrorismus
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