Biohacking - Gentechnik aus der Garage
unendlich viele Möglichkeiten, Schaden anzurichten: Das Internet spuckt nach wenig aufwändiger Suche reichlich Anleitungen dafür aus. Diese wurden einst für Forschungszwecke entwickelt, etwa um herauszufinden, was ein in der Natur so weit verbreitetes Gift wie Rizin – oder auch andere natürliche Gifte – so gefährlich macht, oder wie sich diese Gifte für medizinische Zwecke in den menschlichen Körper schmuggeln lassen. Man bräuchte diese Versuchsprotokolle nur etwas abzuwandeln, schon wären es Anleitungen zum Missbrauch. Das ist umständlich und bislang zumindest viel komplizierter als etwa einfach das Gift aus Castorbohnen, den Samen des Wunderbaumes, zu extrahieren. Aber es ist möglich.
Unser Rizin-Experiment hat also zwei wichtige Ergebnisse gebracht:
Erstens: Wer ein Gift wie Rizin herstellen will, wird das gegenwärtig sicher nicht per Gentechnik tun, denn das wäre deutlich aufwändiger und komplizierter, als es mit konventionellen Methoden aus den Rizin-Samen zu gewinnen.
Zweitens: Grundsätzlich aber ist es ziemlich sicher auch für Amateure möglich, mithilfe von Gentechnik potente Gifte herzustellen. Und an die Zutaten und nötigen Informationen dafür kommt man heran.
Wir sind vielleicht nicht die Talentiertesten bei der Laborarbeit, aber wir halten es für durchaus möglich, dass selbst wir giftproduzierende Bakterien hätten herstellen können. Zeit und Geduld hat bislang jedes unserer Probleme so weit gelöst, wie wir es wollten, und alle nötigen Materialien und Methoden stehen uns zur Verfügung.
Wir haben es ganz bewusst und aus guten Gründen gar nicht erst probiert. Allein der Vorgang, ein Bakterium mit dem Rizin-Gen zu bestücken, oder selbst ein anderes, harmloseres Gen von einem anderen Organismus dort einzubauen, wäre in Deutschland außerhalb eines zugelassenen Sicherheitslabors bereits strafbar. Nicht nur deshalb versuchen wir es nicht. Wir haben auch keine Verwendung für ein Gift produzierendes Bakterium. Und es zu konstruieren, wäre auch unbesehen aller Gesetze in unserem improvisierten Labor unvernünftig und vielleicht sogar gefährlich.
Doch was ist mit Leuten, die kriminelle Energie mitbringen? Oder einem Studenten, der sich im Labor langweilt oder aus Frust auf dumme Gedanken kommt? Der Schritt vom Gen zum Gift ist zumindest in der Theorie gangbar.
Wäre die Welt nicht ein sichererer Ort, wenn man potenziell gefährliche Informationen unter Verschluss halten würde? Oder wäre damit die Freiheit der Forschung gefährdet? Tatsächlich sind im Netz reichlich Informationen zugänglich, die mit bösem Willen auch für Böses genutzt werden könnten, nicht nur über Bio-Gifte, sondern auch über Krankheitserreger. Und nicht nur wir drei geraten hier inhitzige Diskussionen, auch Wissenschaftler stehen immer dann vor der Frage „Veröffentlichen oder nicht?“, wenn ihre Resultate nicht nur den Wissensstand der Menschheit erweitern, sondern auch einen zweiten, gefährlichen Nutzen haben können. Das Beispiel der niederländischen Forscher, die herausfinden wollten, was ein Virus lebensgefährlich macht, die dabei aber ein Rezept fanden, ein besonders gefährliches Virus tatsächlich herzustellen, haben wir ja bereits erwähnt (Kapitel 4).
Dass Leute, die DIY-Methoden anwenden, solche Informationen nutzen und erfolgreich gefährliche Viren produzieren, ist auf absehbare Zeit allerdings unwahrscheinlich. Wir selbst lassen natürlich die Finger von Krankheitserregern. Zudem stoßen wir in unserem Heimlabor ohnehin an Grenzen – und das, obwohl wir uns ziemlich intensiv informiert, 3500 Euro nur für Material ausgegeben, Wochen im Labor verbracht und jeweils sogar einen naturwissenschaftlichen Uni-Abschluss haben.
Für ein gefährliches Grippevirus bräuchten wir zusätzlich nicht nur eine Zucht geeigneter Säugetiere, Frettchen etwa, in denen der Erreger vermehrt werden könnte. Wir (oder hypothetische Do-It-Yourself-Bioterroristen auf unserem oder sogar deutlich höherem Niveau) haben auch ganz sicher nicht die technische Ausstattung eines Labors der Sicherheitsstufe 2. Doch die ist für die Arbeit mit Krankheitserregern nicht nur vorgeschrieben (worum sich Terroristen vielleicht eher nicht scheren würden), sondern für die, die mit den Keimen arbeiten, auch überlebensnotwendig. Nur ziemlich aufwändige Sicherheitsvorkehrungen und -technologien – wie Abzugshauben mit Steril-Filtern für die Luft, Unterdruck im hermetisch abgeriegelten Labor, Luftschleusen,
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