Biohacking - Gentechnik aus der Garage
den Müll des FBI – vom Absperrband über Gasmasken-Filter bis hin zu den Pizzakartons – zu einer Wanderausstellung arrangiert, die seit Jahren durch die Welt reist. Doch auf dem Rückweg von einer Veranstaltung in Ljubljana, Slowenien, stoppte der US-Zoll den Weitertransport, erzählt Kurtz: „Als die Kisten in New York City ankamen, inspizierte der Zoll routinemäßig, fand die Überreste von Bakterien darin und informierte die USDA“, die zuständige US-amerikanische Landwirtschaftsbehörde. Die Beamten fanden die Gasmaskenfilter und andere für sie dubiose Dinge und schalteten das FBI ein. „Sie durchwühlten alles, rissen die Kartons auf, untersuchten jedes Blatt Papier, die Bücher, alles“, sagt Kurtz. „Alles war zerknautscht, auf manchen Sachen müssen sie herumgelaufen sein, wir fanden Fußspuren auf dem Absperrband.“ Aber offenbar fanden die Beamten nichts Illegales, stopften alles unsortiert in die Kartons zurück, klebten sie notdürftig zu und schickten sie weiter nach Buffalo. „Zum Glück war das meiste schon vorher Müll.“
Die Geschichte des Steve Kurtz kennt jeder Biohacker in den USA. Sie hängt wie ein Damoklesschwert über der Bewegung. Auch wenn die Gesetze in den USA gentechnisches Arbeiten im Heimlabor nicht explizit verbieten, können sich die Hobbyforscher vor staatlichen Übergriffen nicht sicher wähnen.
Deshalb haben sich viele Biohacker entschlossen, die Flucht nach vorne anzutreten. Sie arbeiten nun regelmäßig mit dem FBI zusammen. Angesichts der Rücksichts- und Respektlosigkeit, die Kurtz an sich und seinem Eigentum wiederholt erfahren hat, ist das auf den ersten Blick eine überraschende Strategie. Doch auch das FBI scheint inzwischen dazugelernt zu haben. Die Behörde betreibt nun – wohl auch um peinliche Ermittlungspleiten wie mit Kurtz künftig zu vermeiden – ein „Outreach“-Programm, mit dem sie den Kontakt zur Biohacker-Szene pflegt. Und im Juni 2012 laden die Beamten sogar Biohacker aus aller Welt zu einer Konferenz in Kalifornien ein. Flug, Hotel und Essen inklusive. Und ein paar Einladungen gehen auch nach Deutschland.
„Ein Schock“ sei das Schreiben des FBI zunächst für ihn gewesen, sagt Rüdiger Trojok. Als es am 11. April 2012 nachts um 23:12 Uhr per E-Mail bei ihm eingeht, sitzt der 26-jährige Freiburger Bio-Student gerade in seiner Studentenbude im Dachgeschoss an seiner Diplomarbeit. Er ist einer der ersten Biohacker in Deutschland, hat ein paar Schritte von dem Schreibtisch, an dem er gerade sitzt, sein improvisiertes Labor stehen, und jetzt klopft sein Herz bis unter die Schädeldecke.
Der Inhalt der E-Mail liest sich eigentlich harmlos, denn das FBI lädt ihn lediglich zu einer Konferenz nach Kalifornien ein. Zu der sollen Biohacker aus aller Welt kommen. Die auch geheimdienstliche Aufgaben abdeckende US-Bundespolizei lockt damit, dass eine solche Konferenz eine gute Möglichkeit für Biohacker sei, sich untereinander auszutauschen (was diese dann auch tun, siehe Kapitel 9). Vor allem will das FBI sich aber natürlich einen Überblick über die Szene und die sie bestimmenden Akteure verschaffen. Und über Risiken und Sicherheit soll diskutiert werden. Flug, Hotel und Verpflegung zahlt der amerikanische Staat.
Drei Wochen lang trägt Trojok die Einladung mit sich herum.„Es war mir irgendwie suspekt, dass die mich auf einer Liste haben.“ Er tauscht sich mit anderen Biohackern in Europa aus. Manche, die auch eine Einladung bekommen haben, haben da den Agenten längst zugesagt. Cathal Garvey aus Dublin aber, einer der aktivsten Biohacker Europas und für viele Gleichgesinnte ein Vorbild, lehnt das Angebot ab. Er will schlicht nichts mit dem FBI zu tun haben, wie er uns später noch selbst erklären wird.
„Im Grunde habe ich mich dann aus purer Neugier entschieden zu fliegen“, so Trojok. Dazu kam, dass er und die Berliner Biohackerin Lisa Thalheim sich bereits ausführlich mit dem Thema Sicherheit beschäftigt und auf einer Hackerkonferenz sogar Vorschläge für einen Katalog selbst auferlegter Verhaltensregeln für Biohacker gemacht hatten. Trojok nimmt die Bedenken der Öffentlichkeit besonders ernst – und irgendwie repräsentiert eine staatliche Behörde wie das FBI ja auch die Interessen dieser Öffentlichkeit. Wir selber haben übrigens keine Sekunde gezögert: Als wir über Trojok von der Konferenz in Kalifornien erfahren, melden wir uns prompt an. Flug und Hotel lassen wir uns aber lieber nicht vom FBI
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