Biohacking - Gentechnik aus der Garage
wäre also problemlos in die Tat umsetzbar, allgegenwärtig ist er trotzdem nicht.
Mehr Zugang zu Technologie bedeutet zudem nicht unbedingt mehr Missbrauch der Technologie. Computerbetriebssysteme mit offenem Programmcode wie zum Beispiel Linux gelten als weitaus sicherer als die kommerzielle Konkurrenz von Microsoft und Apple. Wo viele Entwickler permanent an der Verbesserung der Software arbeiten und sich gegenseitig kontrollieren, entsteht das sicherere Programm. Mehr Zugang zu Technologien bedeutet im Allgemeinen sogar weniger Gefahren durch diese. Auch hierfür ist das erfreuliche Ungleichgewicht zwischen wohlmeinender und böswilliger Motivation einer der Gründe. Der andere ist, dass Zugang auch die Möglichkeit bedeutet, dass viele die Technologien verstehen lernen, unddamit auch ihre Risiken. Das wiederum ermöglicht nicht nur, dass viele versuchen können, Lösungen zur Minimierung der Risiken zu finden, sondern auch eine kompetente demokratische Kontrolle der Technologie-Nutzung. Denn eines zeigt ein Blick in die Vergangenheit ziemlich klar: Missbrauch von Technologie war bislang die Domäne schlecht oder gar nicht demokratisch kontrollierter herrschender Eliten. Kleine Ganoven haben hier jedenfalls kaum eine Rolle gespielt.
All das heißt nicht, dass im Fortschritt der Biotechnologie keine Gefahren lauern. Und diese Gefahren könnten schlicht aufgrund ihrer biologischen, sich also potenziell selbst vervielfältigenden Natur auch eine andere Qualität bekommen als die, die andere Technologien mit sich bringen. Sie gehen aber heute und wahrscheinlich auch in der Zukunft eher nicht von einer Biohackerin in ihrer Küche oder einem DIY-Genforscher in seiner Garage aus.
So ungefährlich unser Experiment mit dem Rizin-Gen auch gewesen sein mag – in den USA hätte uns das bereits verdächtig machen und auf den Radar des FBI bringen können. Das jedenfalls werden uns Agenten eben dieser Behörde später selbst klipp und klar sagen. Der Künstler Steve Kurtz ist sogar aufgrund viel harmloserer Experimente festgenommen worden – wegen Verdachts auf Bioterrorismus.
Als wir im Sommer 2011 in die Straße zum Haus des Kunstprofessors der University at Buffalo einbiegen, müssen wir eine Menge Phantasie aufbringen, um uns vorzustellen, dass hier in dieser friedlichen und von herausgeputzten historischen Einfamilienhäusern geprägten Nachbarschaft im Mai 2004 tagelang Dutzende von Spezialfahrzeugen des FBI standen und Fernsehteams beobachteten, wie Beamte mit Gasmasken und in weißen Schutzanzügen das Haus von Steve Kurtz auf den Kopf stellten. Die Straße liegt menschenleer vor uns, es ist Mittag und so heiß, dass sich kaum jemand aus dem Wirkungsbereich seiner Klimaanlage wegbewegen mag. Auch Kurtz hat sich in den einzigen Raum seines Hauses mit gekühlter Luft zurückgezogen und hört unser Klopfen erst nach ein paar Minuten. Es öffnet ein großer, dunkelblonder Mann, dessen glatte Haare bis zur Schulter fallen. Der Gründer der Theater- und Installationskünstler-Gruppe „Critical Art Ensemble“ ist ein höflicher, freundlicher und oft lachender Gastgeber. Er erzählt uns von Kunst-Projekten des Ensembles wie „Molecular Invasion“ gegen die gentechnisch veränderten Maispflanzen des Agrarkonzerns Monsanto, und auch von der „GenTerra“-Aktion, für die Kurtz und seine Frau Hope gentechnisch veränderte Bakterien verwendeten.
Dazu hatte sich das Künstlerpaar ein Heimlabor eingerichtet, in dem es mit Sicherheitsstämmen von Coli-Bakterien gentechnisch arbeitete. Das war sogar völlig legal, denn in den USA sind gentechnische Versuche nicht wie in Deutschland per Gesetz auf speziell eingerichtete Sicherheitslabors beschränkt. Kurtz führt uns über eine schmale Treppe in den ersten Stock, wo in einem kleinen Erker auf einem Campingtisch Laborutensilien vom Erlenmeyer-Glaskolben über Pipetten bis hin zu PCR-Maschine und Mikrowelle stehen. „Das hier ist es, was das FBI als mein Geheimlabor bezeichnet hat, direkt vor dem Panoramafenster.“
Kurtz’ Geschichte beginnt schon tragisch: „Meine Frau starb“, sagt er, und als er die Erinnerung abruft, erlischt das Gastgeber-Lächeln. „Ich habe den Notarzt gerufen“, doch der konnte nur noch den Tod von Hope Kurtz feststellen. „Und wenn jemand stirbt, der gerade mal 45 Jahre alt ist, dann ist das natürlich verdächtig“, sagt Kurtz. Also verständigt der Arzt die Polizei. Kurtz wird befragt und sieht sich plötzlich als Gegenstand von
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