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Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Biohacking - Gentechnik aus der Garage

Titel: Biohacking - Gentechnik aus der Garage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanno Charisius Richard Friebe Sascha Karberg
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blonder, freundlich lächelnder Kollegin. Kate Carley nimmt das Mikrofon in die Hand, um die versammelten Biohacker mit Worst-Case-Szenarien zu konfrontieren. Da ist zum Beispiel die fiktive Biohackerin „Debbie“, die mit gefährlichen Bakterien arbeiten will, die Bedenken anderer Biohacker in den Wind schlägt und – besonders verdächtig – extreme politische Reden schwingt. Dann wird sie dabei entdeckt, wie sie noch spätnachts alleine im Gemeinschaftslabor experimentiert. „Was würdet ihr tun, würdet ihr den Vorfall melden?“, liest die Agentin die vorformulierten Fragen vor, mit denen sich die Biohacker jetzt beschäftigen sollen.
    Das FBI verfolgt beim „Biohacker-Problem“ dieselbe Strategie, die New York zur Vorbeugung von Anschlägen in der U-Bahn anwendet: „If you see something, say something“ – wer etwas sieht, soll es melden. Konkret hieße das dann, dass die Hobby-Gentechniker den freundlichen FBI-Kontaktmann schon dann anrufen „dürfen“, so Carley, wenn Debbie nur durch radikale Ansichten auffällt.
    Die europäischen Biohacker werfen sich irritierte Blicke zu und beginnen die Köpfe zusammenzustecken. Die Stimmung, eben in den Gesprächen untereinander noch vom Enthusiasmus einer Graswurzel-Bewegung getragen, kippt. Bürger als Informanten? Das seienStasi-Methoden, zischelt es zwischen den deutschen Biohackern hin und her.
    Rüdiger Trojok entschließt sich, seinem rein fachlichen Vortrag eine kurze Bemerkung voranzustellen. Er erzählt von seinem Großvater, der in der DDR nur wegen ein paar offener Worte so sehr drangsaliert und sogar mit Gefängnis bedroht worden war, dass er schließlich kurz vor dem Mauerbau mitsamt Familie in den Westen ging. „Ich will keine neue Diskussion anfangen“, sagt er, angesichts des bislang Erörterten „Ihnen aber doch etwas zum Nachdenken mitgeben“.
    Ob denn schon einmal ein „Black Hat“ entdeckt oder wenigstens ein verdächtiger DIY-ler gemeldet worden sei, wird Nathaniel Head in der anschließenden Diskussion gefragt. „Nein“, räumt der FBI-Mann ein, bislang nicht. Aber sollte irgendwann jemand mit einem Krankheitserreger wie Anthrax, Ebola oder Tularämie arbeiten wollen, sei „der Punkt erreicht, an dem man uns anrufen sollte“, erklärt Heads Kollege Sean Donahue den versammelten Biohackern noch einmal eindringlich. Donahue ist der in San Francisco für „Massenvernichtungswaffen“ zuständige FBI-Mitarbeiter. Und im Grunde bedeuten seine Worte nichts anderes, als dass er unter den hier freundlich „all inclusive“ Eingeladenen und ihren Mitstreitern die Wegbereiter des Bioterrorismus der Zukunft vermutet, auch wenn ihm offensichtlich bislang jegliche Indizien dafür fehlen.
    Im Anschluss verteilen die Beamten auch gleich noch ein paar Info-Kärtchen. Aufgemacht wie ein Quartett-Spiel zeigen sie Bilder und Informationen zu Anthrax- und Pest-Bakterien sowie Pocken- und Ebola-Viren. Um dem Nerd-Nachwuchs gerecht zu werden, hat das FBI die Info-Kärtchen sogar in einer „App“ für Smartphones abrufbar gemacht. Einige Biohacker sind belustigt ob dieses unbeholfenen digital-analogen „Outreach“-Versuchs, andere eher verwirrt. Sie glauben nicht, dass jemand so naiv sein könnte, ohne entsprechende Schutzausrüstung mit solchen Erregern zu arbeiten. Und sie sind irritiert, dass die Bundespolizei der Vereinigten Staaten offenbar in solchen Szenarien denkt.
    Wir sind während der Diskussion um die hypothetische „Debbie“ ziemlich still gewesen. Denn sie hat in dem Planspiel mit Rizin-Genen herumgespielt. Wir selbst hatten ja zumindest ansatzweise in unserem Labor genau das getan, um herauszufinden, ob unsere technischen und handwerklichen Möglichkeiten vielleicht ausreichen würden, einen Terrorkeim zu basteln. Allein das, hören wir nun, wäre Grund genug gewesen, uns zu melden (das Verb „denunzieren“ fällt uns dazu unwillkürlich ein), und wir hätten damit in den USA schon auf der schwarzen Liste des FBI landen können.
    Vielleicht werden wir ja sogar längst als „Black Hats“ geführt, obwohl wir nichts Gefährliches oder Illegales getan haben? Vielleicht werden wir bei der nächsten Einreise in die USA besonders gründlich gefilzt, weil wir auf irgendeine Liste geraten sind? Zwar wissen wir nichts davon, schließlich ist das, was Geheimdienste tun und in ihren Dateien verwalten, bei aller hier plakativ zelebrierten Offenheit natürlich geheim. Aber allein die Möglichkeit, dass wir, oder jemand anderes, der

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