Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
wie durch einen Schleier wahrnimmt.
Ihre Haut ist von winzigen Schweißperlen übersät – mehr dringt durch ihre auf so absurde Weise konstruierten Poren nicht heraus. In der feuchten Hitze verschafft ihr das kaum Kühlung. Noch nie zuvor hat sie Feuchtigkeit auf ihrer Haut verspürt. Immer ist sie trocken …
Sie streift im Vorbeilaufen einen Mann. Überrascht weicht er vor ihrer glühenden Haut zurück. Sie verbrennt! Zwischen diesen Menschen kann sie nicht untertauchen. Ihre Arme und Beine bewegen sich so abgehackt wie die Seiten eines computeranimierten Kinderbuchs – schnell, schnell, schnell, zack, zack, zack. Alle starren sie an.
Sie verlässt das Treppenhaus und quetscht sich durch eine Tür, stolpert einen Flur entlang, lehnt sich keuchend gegen
eine Wand. Sie kann kaum noch die Augen offen halten; das Feuer in ihrem Innern droht sie zu verzehren.
Ich bin gesprungen, denkt sie.
Ich bin gesprungen.
Adrenalin pur. Das Entsetzen fährt ihr in die Glieder; vom Amphetamin high, wird ihr schwindlig. Ein Aufziehmädchen, das das Flattern bekommt. Ihr Blut kocht. Vor Hitze droht sie das Bewusstsein zu verlieren. Sie schmiegt sich an die – vergleichsweise – kühle Wand.
Ich brauche Wasser. Eis.
Emiko versucht, ihren Atem wieder unter Kontrolle zu bekommen. Sie horcht, ob die Weißhemden ihr auf den Fersen sind, doch ihr ist so schwindlig, dass sie fast nichts mehr wahrnimmt. In welchem Stockwerk ist sie? Wie weit ist es noch bis ins Erdgeschoss?
Lauf weiter. Lauf weiter.
Stattdessen bricht sie zusammen.
Der Boden fühlt sich kühl an. Ihr Atem pfeift. Ihr Büstenhalter ist zerfetzt. Blut läuft ihr über Arme und Hände, wo sie durch die Glasscheibe gebrochen ist. Sie streckt sich aus, spreizt die Finger, presst die Hände auf die Fließen, kann gar nicht genug von dem kühlen Boden bekommen. Schließt die Augen.
Steh auf!
Aber sie kann nicht mehr. Sie versucht, ihren Herzschlag zu beruhigen, lauscht auf ihre Verfolger. Aber sie kann kaum noch atmen. Ihr ist heiß, und der Boden ist so wunderbar kühl.
Hände packen sie. Ein Aufschrei, und sie wird wieder fallen gelassen. Und erneut gepackt. Dann sind die Weißhemden über ihr, schleppen sie die Treppe hinunter, und sie ist ihnen dankbar, froh darüber, dass sie bald unten sind, dass sie sie in die herrliche Nachtluft hinaustragen, auch wenn sie die ganze Zeit brüllen und sie schlagen.
Die Wörter branden über sie hinweg. Nichts davon versteht sie. Es ist so laut und dunkel, und ihr ist schwindlig von der Hitze. Sie sprechen nicht Japanisch, sie sind nicht einmal zivilisiert. Keiner von ihnen ist optimal …
Wasser ergießt sich über sie. Sie würgt und hustet. Noch ein Schwall, es dringt ihr in Mund und Nase.
Sie wird geschüttelt. Angeschrien. Wieder geschlagen. Fragen. Immer wieder Fragen.
Sie packen sie an den Haaren und zwingen sie mit dem Gesicht nach unten in einen Eimer Wasser, versuchen, sie zu ertränken, sie zu bestrafen, sie zu töten, und sie denkt die ganze Zeit nur: Danke, danke, danke, denn irgendein Wissenschaftler hat sie optimiert, und gleich wird dieses schmächtige Mädchen, das sie anschreien und schlagen, abgekühlt sein.
22
Die Weißhemden sind überall: Sie kontrollieren Ausweise, stolzieren über Märkte, konfiszieren Methan. Hock Seng hat Stunden gebraucht, um die Stadt zu durchqueren. Gerüchten zufolge sind alle malaiischen Chinesen in den Yellow-Card-Hochhäusern interniert worden. Sie sollen nach Süden transportiert werden, zurück über die Grenze, der Gnade der Grünen Brigaden ausgeliefert. Hock Seng lauscht auf das leiseste Flüstern, während er durch die Gassen schleicht, um zu seiner Barschaft und den Edelsteinen zurückzugelangen; Mai, die hier geboren ist, schickt er voraus, damit sie mit ihrem einheimischen Akzent Fragen stellen kann.
Als die Nacht hereinbricht, sind sie noch immer weit von ihrem Ziel entfernt. Das Geld, das er SpringLife gestohlen
hat, lastet schwer auf ihm. Manchmal hat er Angst, Mai könnte sich plötzlich gegen ihn wenden und ihn den Weißhemden melden – bestimmt würde sie dafür mit einem Teil der Scheine belohnt, die er bei sich trägt. Dann wieder hält er sie für eine seiner Töchter und hofft inständig, sie vor allem beschützen zu können, was ihnen droht.
Ich verliere den Verstand, denkt er bei sich. Jetzt halte ich schon ein albernes Thaimädchen für mein eigenes Kind.
Doch er vertraut dem zarten Kind, der Tochter eines Fischfarmers – schließlich hat sie
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