Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
Schmetterling herbei und lässt sich auf dem Geländer vor ihr nieder. Schließt die schillernden Flügel. Öffnet sie behutsam wieder. Ein ums andere Mal zeigt der Falter sein helles, mit Schwarz und Gold gesprenkeltes Kobaltkleid.
Kanya beobachtet ihn dabei, berückt von der auffällig bunten Schönheit, die aus einer anderen Welt zu stammen scheint. Sie fragt sich, was ihn wohl hierhergeführt haben mag, zu dieser fremdartigen Behausung mit ihrem Farang -Gefangenen. Unter allen Schönheiten der Welt ist hier eine, der sich wohl niemand zu entziehen vermag; die Natur hat sich in wildem Rausch verausgabt.
Kanya beugt sich über das Tier und betrachtet es genauer, wie es da auf dem Geländer sitzt. Eine unvorsichtige Hand könnte es zermalmen, ohne sich der Zerstörung überhaupt bewusst zu sein.
Langsam streckt sie einen Finger aus. Der Schmetterling erstarrt, dann lässt er sich aufnehmen und trippelt ihr in die hohle Hand. Er ist weit gereist. Er muss erschöpft sein. So wie sie selbst. Kontinent um Kontinent hat er überflogen. Hoch gelegene Steppengebiete und jadegrüne Dschungellandschaften hat er überquert, um hier zwischen Hibiskusblüten und Pflastersteinen zu landen, damit Kanya ihn in der Hand halten und bewundern kann. So ein weiter Weg!
Kanya schließt die Faust um das flatternde Tier. Öffnet sie wieder und lässt den Staub auf die Fliesen rieseln. Flügelfetzen und ein zerquetschter kleiner Körper. Ein industriell gefertigter Bestäuber, höchstwahrscheinlich von einem der PurCal-Labore ausgesandt.
Aufziehwesen besitzen keine Seele. Aber schön sind sie doch.
Hinter ihr hört sie ein Plätschern. Kip hat sich einen Badeanzug übergestreift. Ihre Silhouette flimmert unter der Wasseroberfläche, steigt auf, und dann wirft sie ihr langes schwarzes Haar zurück und lächelt Kanya an, bevor sie wendet und wieder losplanscht. Kanya schaut ihr beim Schwimmen zu, folgt den eleganten Kraulbewegungen der braunen Gliedmaßen im blauen Anzug. Ein hübsches Mädchen. Diesem Wesen zuzusehen ist eine wahre Freude.
Dann endlich rollt der Dämon auf den Rand des Pools zu. Sein Zustand hat sich deutlich verschlechtert, seit sie ihn das letzte Mal gesehen hat. Fa’gan -Narben überziehen den gesamten Hals bis hin zu den Ohren. Ein pathogener Virus, den er entgegen aller Prognosen abwehren konnte. Er sitzt im Rollstuhl, den ein Angestellter schiebt. Auf den bewegungsunfähigen Beinen liegt eine dünne Decke.
Also schreitet die Krankheit doch weiter voran. Lange Zeit dachte sie, es wäre nur ein Mythos, doch nun kann sie sehen, dass es stimmt. Der Mann ist hässlich. Sein Siechtum und die glühende Intensität, die von ihm ausgeht, sind kaum zu ertragen. Kanya zittert. Sie wird froh sein, wenn der Dämon in sein nächstes Leben überwechselt. Zu einem Leichnam wird, den sie unter Quarantänebedingungen einäschern können. Bis dahin hofft sie, dass die Medikamente eine Übertragung verhindern können. Er ist ein griesgrämiger, behaarter Kerl mit buschigen Augenbrauen, einer fleischigen Nase und breiten Gummilippen, die sich zu einem hyänenhaften Lächeln verziehen, als er Kanya erblickt.
»Ah. Meine Gefängniswärterin.«
»Wohl kaum.«
Gibbons wendet sich Kip zu, die immer noch ihre Bahnen zieht. »Nur, weil ihr mir hübsche Mädchen mit hübschen
Mündern zugesteht, bedeutet das noch lange nicht, dass ich kein Gefangener bin.« Er sieht zu ihr auf. »Nun, Kanya, Sie haben sich eine Weile nicht blicken lassen. Wo ist Ihr aufrechter Herr und Gebieter? Mein Bewacher, den ich mehr als alle anderen schätze? Wo ist unser kampfeslustiger Kommandant Jaidee? Mit Untergebenen halte ich mich nicht auf …« Er verstummt und wirft einen Blick auf Kanyas Rangabzeichen. Seine Augen verengen sich zu Schlitzen. »Aha, verstehe. « Er lehnt sich zurück und mustert Kanya prüfend. »Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihn jemand unschädlich macht. Gratuliere zur Beförderung, Hauptmann.«
Kanya zwingt sich, gelassen zu bleiben. Bei den bisherigen Besuchen war es immer Jaidee gewesen, der mit dem Teufel verhandelt hat. Kanya hatte stets am Pool gewartet, während die beiden im Gebäude verschwanden; lediglich die Geschöpfe, die sich der Doktor gerade zu seinem Vergnügen erwählt hatte, hatten ihr Gesellschaft geleistet. Wenn Jaidee zurückkam, dann immer mit zusammengekniffenem Mund.
Ein einziges Mal, gerade als sie dabei waren, das Gelände zu verlassen, hatte er beinahe doch gesprochen und ihr verraten, was ihm im
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