Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
Kopf herumging. Er öffnete den Mund zu einem »Aber … «, ein nur halb ausgesprochener Widerspruch, der sofort erstarb, sobald er ihm über die Lippen kam.
Kanya hatte den Eindruck gehabt, dass er das soeben beendete Gespräch weiterführte, einen Schlagabtausch, bei dem es ebenso schnell hin und her ging wie bei einer Partie Takra. Ein rasantes Wortgefecht mit Querschlägern, die an Jaidees Schädel abprallten. Bei einer anderen Gelegenheit war Jaidee finster dreinschauend und mit den Worten »Er ist einfach zu gefährlich, um ihn weiter am Leben zu lassen« vom Grundstück gestürmt.
Kanya war damals verwirrt gewesen. »Aber er arbeitet
doch nicht mehr für AgriGen«, hatte sie eingewandt, woraufhin Jaidee überrascht aufsah – er hatte gar nicht bemerkt, dass er seinen Gedanken laut ausgesprochen hatte.
Der Doktor war eine lebende Legende. Ein Kinderschreck. Kanya hatte eigentlich erwartet, ihn in Ketten vorzufinden, doch bei ihrer ersten Begegnung saß er selbstzufrieden da und löffelte das Innere einer Koh-Angrit -Papaya aus, während ihm der Saft der Frucht das Kinn hinunterlief.
Sie fragte sich oft, was den Doktor dazu getrieben hatte, hierher ins Königreich zu kommen. Waren es Schuldgefühle gewesen? Oder das Herannahen seines sicheren Todes, gepaart mit dem Reiz der Ladyboys? Vielleicht hatte es auch einen Streit unter Kollegen gegeben? Jedenfalls schien er nichts zu bereuen. All das Elend, das er in die Welt gesetzt hatte, ließ ihn kalt. Er scherzte darüber, wie er Ravaita und Domingo einen Strich durch die Rechnung gemacht hatte. Amüsierte sich über Doktor Michael Ping, dem er die Arbeit von zehn Jahren zerstört hatte.
Eine Cheshire huscht über die Terrasse und reißt Kanya aus ihren Gedanken. Sie hüpft auf den Schoß des Doktors. Kanya weicht angewidert zurück, während der Farang beginnt, das Tier hinter den Ohren zu kraulen. Pfoten und Körper des Wesens wechseln die Farbe und verschmelzen schließlich ganz mit dem Muster der Steppdecke auf dem Schoß des alten Mannes.
Der Doktor lächelt. »Klammern Sie sich nicht zu sehr an das, was Ihnen natürlich erscheint, Hauptmann. Hier, schauen Sie« – er beugt sich vor und gibt gurrende Geräusche von sich. Maunzend reckt sich ihm der schimmernde Cheshire-Schatten entgegen. Das Schildpattfell reflektiert die Sonne. Zaghaft fährt eine kleine Zunge über das Kinn des Doktors. »Ein hungriges kleines Biest«, sagt er. »Was gut ist. Genügend Gier könnte sie an die Spitze der Nahrungskette bringen, es
sei denn, wir erfinden einen ihm überlegenen Räuber. Etwas, dem es wiederum nach ihm gelüstet.«
»Diese Möglichkeit haben wir bereits in einer Langzeitanalyse durchgespielt«, erwidert Kanya. »Dadurch würde das Nahrungsnetz nur noch weiter zersetzt. Ein neues Superraubtier kann den bereits angerichteten Schaden auch nicht beheben. «
Gibbons schnauft verächtlich. »Das Ökosystem ist schon zu dem Zeitpunkt zusammengebrochen, als der Mensch die Seefahrt für sich entdeckte. Als wir die ersten Feuer in den Weiten der Savanne legten. Wir haben diese Entwicklung nur beschleunigt. Dieses Nahrungsnetz, von dem Sie reden, ist reine Nostalgie, nichts weiter. Natur!« Er verzieht angewidert das Gesicht. »Wir sind die Natur. All unsere Basteleien sind Teil der Natur, jedes biologische Streben. Wir sind, was wir sind, und die Welt gehört uns. Wir sind Götter. Ihr einziges Problem ist der Widerwille gegen ein von allen Fesseln befreites Gestaltungspotenzial.«
»So wie AgriGen? Wie U-Texas? Wie im Fall von RedStar HiGro?« Kanya schüttelt den Kopf. »Wie viele von uns mussten sterben, weil diese Firmen bereit waren, ihre Möglichkeiten voll auszuschöpfen? Eure Kalorien-Herren haben uns gezeigt, was darauf folgt. Die Menschen sterben.«
»Jeder muss sterben.« Der Doktor wischt Kanyas Bedenken beiseite. »Aber Sie sterben, weil Sie an der Vergangenheit festhalten. Wir sollten inzwischen alle Aufziehmenschen sein. Eine vollkommen neue Kreatur zu erschaffen, die gegen Rostwelke immun ist, ist wesentlich einfacher, als die bestehenden Version menschlicher Lebewesen davor zu schützen. In nur einer Generation hätten wir uns dem veränderten Lebensumfeld angepasst. Ihre Kinder könnten bereits Nutznießer dieses Wandels sein. Aber Ihresgleichen will sich einfach nicht anpassen. Sie hängen einer Vorstellung
von Menschlichsein an, die sich gemeinsam mit der Umwelt über Jahrtausende hinweg herausgebildet hat, doch paradoxerweise weigern Sie
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