Biokrieg - Bacigalupi, P: Biokrieg - The Windup Girl
den Seeweg von Indien aus an Ihre Ufer gespült werden? Werdet Ihr dann verhungern, so wie die Inder? Wird Ihnen das Fleisch von den Knochen faulen wie bei den Burmesen? Sie sind den Seuchen immer nur deswegen einen Schritt voraus, weil es mich gibt – mich und meinen verrottenden Verstand. « Er fuchtelt mit den Händen über seinen Beinen herum. »Werden Sie mit mir gemeinsam verfaulen?« Dann zieht er die Decke weg und gibt den Blick frei auf bleich schwärende Gliedmaßen, auf Schorf und Geschwüre, die die faulig blassen Beine überziehen. »Werden Sie auf diese Weise sterben? « Sein Lächeln ist voller Bitterkeit.
Kanya wendet sich ab. »Sie haben es verdient. Es ist Ihr Kamma. Ihr Tod wird qualvoll sein.«
»Karma? Sagten Sie Karma?« Mit seltsam verdrehten Augen und heraushängender Zunge beugt sich der Doktor zu ihr hin. »Und was für eine Art von Karma soll das sein, das Ihr Land an mich und diesen gebrochenen Körper bindet? Was für ein Karma macht es zu Ihrer Pflicht, mich am Leben zu erhalten, ausgerechnet mich?« Er lächelt höhnisch. »Ich denke viel nach über Ihr Karma. Vielleicht ist dies alles Vergeltung für Ihren Hochmut, und es ist die Hybris, die ihren Preis fordert und Sie zwingt, das von mir gefertigte Saatgut zu fressen. Vielleicht sind Sie auch nur das Mittel, um mich zu Erleuchtung und Erlösung zu führen. Wer weiß? Vielleicht werde ich dank meiner Großzügigkeit Ihnen gegenüber als rechte Hand Buddhas wiedergeboren?«
»So läuft das nicht.«
Der Doktor zuckt mit den Achseln. »Ist mir egal. Geben Sie mir einfach jemanden wie Kip zum Ficken. Werft mir eine weitere verlorene Seele zum Fraß vor. Ein Aufziehmädchen. Was auch immer. Ich nehme jeden Körper, den Sie mir vorsetzen. Aber davon abgesehen, lassen Sie mich in Ruhe! Ich habe es satt, mir über Ihr Land, das ohnehin dem Untergang geweiht ist, den Kopf zu zerbrechen.«
Er wirft die Unterlagen in den Pool. Sie treiben auseinander. Kanya stockt vor Entsetzen der Atem; sie will schon hinterherspringen, kann sich aber gerade noch beherrschen. Sie wird sich nicht von Gibbons ködern lassen. Diese Kalorienmänner sind doch alle gleich. Immer spielen sie ihre Spielchen. Stellen einen auf die Probe. Sie zwingt sich also dazu, den Blick vom Pool und den untergehenden Blättern abzuwenden, und konzentriert sich wieder auf ihr Gegenüber.
Auf Gibbons’ Lippen liegt die Andeutung eines Lächelns. »Nun? Werden Sie baden gehen oder nicht?« Er deutet mit dem Kopf auf Kip. »Meine kleine Nymphe hier wird Ihnen dabei helfen. Es wäre mir ein außerordentliches Vergnügen,
Sie dabei zu beobachten, wie Sie sich gemeinsam im Wasser tummeln.«
Kanya schüttelt den Kopf. »Holen Sie sie doch selber wieder heraus.«
»Es erfüllt mich jedes Mal mit Freude, einem Menschen mit Format zu begegnen. Einem Menschen wie Ihnen. Einer unkorrumpierbaren Frau mit Überzeugungen.« Wieder beugt er sich vor, die Augen sind zu Schlitzen verengt. »Jemand, der wirklich in der Lage ist, ein Urteil über meine Arbeit zu fällen.«
»Sie waren ein Mörder.«
»Ich war meiner Zeit immer weit voraus. Was die Menschen mit meinen Forschungsergebnissen anstellen, interessiert mich nicht. Sie tragen eine Federpistole. Es ist wohl kaum die Schuld des Erfinders, dass Sie sich irren können. Dass Sie jederzeit den Falschen damit umbringen könnten. Ich habe Werkzeuge bereitgestellt, die neues Leben ermöglichen. Wenn es Leute gibt, die diese zu anderem Zweck einsetzen, dann befleckt das einzig deren Karma, und nicht meines.«
»Diese Geisteshaltung haben Sie sich von AgriGen gut bezahlen lassen.«
»AgriGen hat mir ein üppiges Gehalt gezahlt, weil der Konzern durch mich reich geworden ist. Meine Gedanken hingegen sind nicht käuflich.« Er mustert Kanya prüfend. »Darf ich also annehmen, dass Sie sich nichts vorzuwerfen haben? Ein weiterer aufrechter Offizier des Ministeriums mit einer Weste so weiß wie Ihre Uniform. Sauber wie ein Sterilisator. « Er beugt sich vor. »Verraten Sie mir eines – sind Sie käuflich?«
Kanya will etwas erwidern, doch ihr fehlen die Worte. Sie kann spüren, wie Jaidee sich ihr nähert. Und lauscht. Sie spürt ein Prickeln auf der Haut. Nur mit großer Anstrengung gelingt
es ihr, sich nicht umzudrehen, um über die Schulter nach ihm Ausschau zu halten.
Gibbons muss lächeln. »Natürlich sind Sie das. Sie sind doch alle gleich. Durch und durch korrupt.«
Kanyas Hand fährt zur Waffe. Der Doktor bemerkt es, aber wieder
Weitere Kostenlose Bücher