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Bios

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Titel: Bios Kostenlos Bücher Online Lesen
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waren auf den beiden größeren Kontinenten und etlichen Inselketten vertreten; die Siedlungen waren häufig so komplex, dass man sie aus dem Orbit erkennen konnte.
    Sie errichteten Erdhügel und höhlten Kalkstein aus. Ihre Technik war primitiv: Flintklingen, Feuer und Speere. Ihre Sprache – wenn es denn eine war – war nicht minder primitiv. Sie schienen sich durch Vokalisieren zu verständigen, aber nicht oft und fast nie im Austausch – das heißt, sie signalisierten, aber sie unterhielten sich nicht.
    Jedes gründlichere Studium der Gräber wurde durch die toxische Biosphäre des Planeten behindert; es war unmöglich, mit den Gräbern unmittelbar in Kontakt zu treten; auch Telesensorien und Roboter konnten nicht herausfinden, was in den tief durchtunnelten Erdhügeln passierte, in denen die Gräber einen Großteil des Tages verbrachten.
    Als Zoe an den Baumwipfeln vorbeitauchte, brach eine Kakophonie von Vogelrufen über sie herein. Von den oberen Ästen baumelten Blüten, die wie riesige, blaue Orchideen aussahen, keine Blumen, sondern eine konkurrierende Spezies, ein saprophytischer Parasit, dessen Staubblatt wie ein pinkrosa Finger aus der Blüte ragte, besetzt mit abertausend kupferroten Pollen.
    Sie ließ sich noch tiefer in ein von Schatten und Licht gesprenkeltes Reich sinken, wo sich farnähnliche Pflanzen aus feuchten Spalten zwischen Baumwurzeln entrollten. Nicht zu tief, warnte Hayes, denn von jedem Baumstumpf und aus jedem Loch konnte eine Sonnenechse oder ein Triraptor schnellen, um die Libelle zwischen den Zähnen zu zermalmen. Sie schwebte in dem großzügigen Schattenreich zwischen zwei riesigen Puzzlebäumen, die Flügel leise schwirrend, und richtete ihre Aufmerksamkeit auf die Gräberkolonie.
    Die Kolonie war alt, wohl etabliert. Nach der letzten groben Zählung lebten hier nahezu hundertfünfzig Gräber. Es gab reichlich Wild, im Westen Obstbäume, und einen klaren Bach, der aus dem Hochgebirge kam und in der Regenzeit fast zum Fluss wurde. Im Westen lag auch eine Wiese aus einem buschigen, goldgelb blühenden Kraut, auf der die Gräber ihre Exkremente hinterließen und ihre Toten begruben. Die Kolonie an sich bestand aus einer Ansammlung von Hügeln aus Steinen und rotem Lehm, jeder Hügel mindestens fünfzig Meter im Durchmesser, überwachsen mit Buschwerk und Pilzgeflecht.
    Die Öffnungen waren eng und dunkel, befestigt mit einem betonartigen Material, das aus Lehm oder Kreide, vermengt mit Urin, geknetet wurde.
    Zwei Gräber hielten sich auf der Lichtung rings um die Erdhügel auf, kauerten über ihrer Arbeit wie ausgebleichte, weiße Rollasseln. Der eine Gräber unterhielt das Gemeinschaftsfeuer und nährte die Flammen mit Windbruch und getrockneten Blättern. Der andere schabte am Ende eines langen Steckens, eines Speers, und drehte die Spitze immer wieder über dem Feuer. Ihre Bewegungen waren sparsam. Zoe fragte sich, ob sie sich wohl langweilten. Der harte Boden war übersät von Flintsteinen und Faustkeilen.
    »Schön sind sie gerade nicht«, sagte Hayes.
    Sie hatte ganz vergessen, dass er neben ihr saß. Beim Klang der Stimme fuhr sie zusammen: zu nah, zu intim. Ihre Libelle schwankte ein bisschen.
    Einer der Gräber sah kurz auf, schwarze huschende Augen. Er war mindestens fünfzehn Meter entfernt.
    »Ich finde schon«, raunte Zoe (wieso raunte sie?).
    »Dass sie schön sind, meine ich. Nicht auf abstrakte Weise. Wunderbar funktional, wunderbar zugeschnitten auf das, was sie tun.«
    »So kann man es auch sehen.«
    Sie zuckte die Achseln, wieder eine unnütze Geste. Die Gräber waren schön, basta. Ob Hayes das nun so oder anders sah.
    Eine härtere, strengere Evolution hatte sie geformt. Einer der Gräber richtete sich auf, und Zoe gefiel die Vielseitigkeit, die Isis diesen Wesen mitgegeben hatte, die Vielseitigkeit eines lebendigen Schweizer Offiziersmessers. Aufrecht maß der Gräber anderthalb Meter. Der gewölbte graue Kopf ragte nach Schildkrötenart aus einem fleischigen Kragen. Die schwarzen hoch empfindlichen Augen drehten sich in Kugelfassungen. Die oberen Arme, die Grabarme mit ihren spatenförmigen Fingern, hingen schlaff von den Schultergelenken. Einer von den kleineren Armen packte mit seinen vielgliedrigen Daumen den neuen Speer. Die knorpeligen Bauchlamellen dehnten sich und zogen sich zusammen, wenn der Gräber sich bewegte; er schien für seine Größe zu flexibel, wie ein Riesentausendfüßer.
    Der schnabelförmige Mund öffnete sich und entließ eine Reihe

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