Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bios

Bios

Titel: Bios Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
unter der rechten Tragfläche vorüberzog. Jede Insel ein vor Urzeiten erloschener Vulkan, jede grün bis an den Rand ihres Kraters. Riffe, nicht aus Korallen, sondern aus dem Kalkgerüst ganz anderer wirbelloser Tiere, zerkochten das seichte Wasser zu buntem Schaum. Das Licht fiel hier schräger ein und machte lauter Täler aus der flachen Dünung. Hatte sie geschlafen? Ein Crewmitglied kam vorbei: Andocken und Dekontaminierung in weniger als einer halben Stunde.
    Sie regulierte ihr Rückhaltesystem, verstaute den Palmtop und schloss wieder die Augen; sie dachte an Hayes und Zoe, die Hartnäckigkeit des Lebens, das universelle Bedürfnis zu verschmelzen, sich zu verbinden, zu entfalten… und auch an die Verwundbarkeit des Lebens, an das Meer, an die großen Fische, die die kleinen fraßen, und an die enorme Reichweite der Erde.
     
    *
     
    Der leitende Kacho der Laborinsel war Freeman Li, ein Terrestrier, mit dem Elam schon im Laufe ihrer Ausbildung und auf Isis zusammengearbeitet hatte. Er war ihr sympathischer als die meisten Terraner: ein flexibler Denker, klein, auffallend kräftiger Brustkorb, dunkelhäutig, ein Sherpa (* buddhistisches Volk tibetischer Abstammung), dessen Familie sich auf die marsianischen Luftfarmen verteilte. Ein aufgedrehter, besorgter Typ, auf dessen Besorgnis normalerweise Verlass war.
    Er war auch jetzt besorgt. Er brachte Elam direkt von der Dekontamination zum nächsten Gemeinschaftsraum, einer niedrigen, achteckigen Kammer zwischen dem Mikrobiologischen und dem Technischen Deck. Elam nahm an, dass sie sich unter dem Meeresspiegel befand, Anhaltspunkte dafür gab es nicht; der maritime Außenposten war so hermetisch abgedichtet wie Marburg oder Yambuku. Die berechnete Masse der Station und die tiefe Verankerung verhinderten, dass sie sich mit der Dünung bewegte, obwohl Taifune, so hatte man Elam gesagt, die Station dazu brachten, wie ein Senkblei zu schwingen. Jetzt war nichts dergleichen zu spüren.
    »Ich will ehrlich sein, Elam«, sagte Li und rührte geistesabwesend in seinem schwarzen Tee. »Als das passiert war, wollte ich von Degrandpre eine komplette Evakuierung. Und ich halte das nach wie vor für richtig. Was immer Singh und Devereaux getötet und Kapsel Sechs vernichtet hat, es hat so schnell zugeschlagen, dass wir es nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten. Und wir haben immer noch keinen Hinweis auf das verantwortliche Agens. Da unten gibt es massenhaft toxische Agenzien und viele stecken hier überall in den Glove-Box-Tresoren. Jedes Agens, das es ausschließlich in Kapsel Sechs gegeben hat, kann nur ein Isolat oder Extrakt gewesen sein, aber nichts Lebendiges.«
    »Ätzende Substanzen?«
    »Manche extrem aggressiv, ja, und allesamt ausgesprochen toxisch. Eine signifikante Freisetzung hätte leicht zwei Menschen töten und den Alarm auslösen können. Aber den Schaden an der Kapsel selbst, nein, undenkbar, dass ein einzelnes Agens oder eine Kombination von Agenzien so etwas fertig bringt.«
    »Nach unserem jetzigen Kenntnisstand.«
    Er zuckte die Achseln. »Jaja, Sie haben Recht. Was wissen wir schon? Aber wir reden von chemischen Isolaten im Mikrogrammbereich.«
    »Irgendwelche anderen Probleme – vor dem Unglück?«
    »Kapsel Sechs hatte Ärger mit einem schmierigen Algenfilm, der den externen Probennehmern und Sensoren zu schaffen machte. Aber ziehen Sie keine voreiligen Schlüsse. Ähnlichen Ärger hatten wir an allen Kapseln, obwohl das Problem mit zunehmender Tiefe schlimmer wird. Es wäre ein gewaltiger Zufall, wenn beides gleichzeitig passiert wäre – eine toxische Freisetzung in der Kapsel und eine Dichtung, die so marode ist, dass die ganze Kapsel implodiert.«
    »Was immer die Dichtung zersetzt hat, hat vielleicht Ähnliches mit dem Glove-Box-Tresor gemacht.«
    »Vielleicht. Wahrscheinlich. Finden Sie nicht, dass das für Alarmstufe eins reicht?«
    Sie dachte nach. »Was Kapsel Sechs zu einem Sonderfall machen würde, ist also nur ein schwerer Algenbefall im äußeren Sensorium?«
    »Sonderfall? Ich weiß nicht. Die Grenzen sind fließend. Aber so, wie Sie es meinen, ja.«
    »Kann ich mir diese Organismen ansehen?«
    »Natürlich.«
     
    *
     
    Freeman Li war trotz Degrandpre auf Nummer Sicher gegangen und hatte die Belegschaft in die oberen zwei Kapseln verbannt; von da aus konnten sie, wenn Not am Mann war, rasch zur Startrampe entkommen. Die übrigen drei Kapseln waren hermetisch abgeriegelt. Das ging natürlich auf Kosten der allgemeinen

Weitere Kostenlose Bücher