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Bios

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Titel: Bios Kostenlos Bücher Online Lesen
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entfernt.
    Sie fasste sich an die Nase und besah sich verdutzt die hellrot gefärbten Fingerspitzen.
    Das also ist der Tod. Diese ganze rote Sauerei. Ekelhaft. Sie schloss die Augen.

 
Neun
     
    Die Rotation der IOS tat ihm den Gefallen. Kenyon Degrandpre stand an seinem kleinen Bürofenster und schaute in die richtige Richtung, als die Higgs-Kugel eintraf.
    Die Begleiterscheinungen waren nicht spektakulär. Er sah das nicht zum ersten Mal. Ein Blitz am Sternenhimmel, mehr nicht, ein kurzes Wetterleuchten: ein Schauer von Photonen und Energiepartikeln und dann das Nachglühen, ein blauer Tscherenkov-Halo. Ein Higgs-Transfer entstellte das Vakuum ringsum und zwang virtuelle Partikel zur eindeutigen Existenz. Der Transfer war nicht bloß eine Reise, er war auf seine Art ein Schöpfungsakt.
    Aus dieser Entfernung war die Higgs-Kugel mit ihrer sorgsam abgeschirmten Fracht natürlich nicht zu sehen, ein Staubkorn in der Dunkelheit, immer noch eine halbe Million Meilen von hier. Die Apportierschlepper machten sich soeben auf den Weg, während der Higgs-Transponder Standort und Zustand ausstrahlte. Selbstverständlich war die Kugel exakt da angekommen, wo sie ankommen sollte. Ein Higgs-Transfer war bis auf den Bruchteil eines Kilometers genau.
    Das Kartell hatte Degrandpre eine Frachtliste zugestellt; er hielt sie in der Hand. Das noch unsichtbare Raumfahrzeug hatte eine ganze Reihe ungewöhnlicher und ominöser Dinge an Bord. Radikal neue genetische Algorithmen für die isischen Turing-Fabriken. Kleine Robotsonden, die ins äußere System sollten. Und ganz und gar nicht zuletzt der Neue, der ›Beobachter‹, der Mann ohne Rang, die Drohung: Avrion Theophilus. Degrandpres ziemlich veraltetes Buch der Familien beschrieb Theophilus als hochrangigen Beamten von Devices & Personnel, mit lockerer Verbindung zur Sparte Psychologie und entfernt mit den Quantrills und den Atlanta Somersets verwandt. Was bedeuten könnte… naja, alles Mögliche eben.
    Degrandpre nahm seinen Palmtop, rief Zoe Fishers Akte auf und überflog sie noch einmal. Abgesehen von ihrer offensichtlichen Verbindung mit Theophilus – er war ihr Fallmanager gewesen – gab es keinen Hinweis auf seine geheime Mission. Oder eine von ihr, vorausgesetzt diese Zoe Fisher war in Wirklichkeit so etwas wie eine D&P-Intrigantin. Er konnte sich nicht vorstellen, welche terrestrische Kontroverse sich um das Los eines einzelnen Retortenbabys drehen sollte, trotz all ihrer schönen neuen Technik und ihres linguistischen Geschicks. Doch die Geschichte der Menschheit hatte sich schon um unscheinbarere Angelpunkte gedreht: eine Kugel, eine Mikrobe, ein falsches Wort.
    Ruhelos, wie er war, rief er die Leitstelle an; er brauchte eine Aktualisierung der Turingliste. Aus dem Laptop drang eine konfuse Geräuschkulisse, bis Rosa Becker, die für die zweite Schicht verantwortlich war, die Sprechverbindung aufnahm. »Sir, wir haben Probleme mit unserer Telemetrie.«
    Degrandpre schloss die Augen. Gott, nein. Bitte. Nicht jetzt. »Mit welcher?«
    »Der maritime Außenposten. Kein Empfang mehr. Nichts – wie ausradiert.«
    »Ein Satellit ist schuld, ja?«
    »Wir sind doppelt und dreifach ausgelegt…« Eine Pause, wieder ein prasselnder Wortwechsel. »Berichtigung. Ein einzelnes Shuttle hat sich von der Laborinsel abgesetzt. An Bord sind Überlebende. Mehr ist nicht.«
    »Was soll das heißen: Mehr ist nicht?«
    »Der Pilot sagt…« Wieder eine Pause. »Keine anderen Überlebenden. Nur Wrackteile.«
    Nur Wrackteile.
    Freeman Lis Albtraum war Wirklichkeit geworden.
    »Sir?«
    Und auch der meine, dachte Degrandpre.
    »Der Shuttle bleibt auf unbestimmte Zeit in Quarantäne«, sagte er angesichts der unmittelbaren Bedrohung. Seine persönliche Angst kam gar nicht zum Zuge. »Und alarmieren Sie die anderen Stationen. Alarmstufe eins.«
    Doch er hatte bereits das Gefühl, ein toter Mann zu sein.
     
    *
     
    Das sollte ihr erster Alleingang werden, der letzte Systemtest vor einem eintägigen Ausflug zum Copper River. Tam Hayes verließ seine Arbeit – Genkartographierung der Monozellkulturen – und durchquerte den quadratischen Kernbereich in Richtung Nordflügel, wo Zoe sich bereits in Schale warf.
    Seine Gedanken liefen Slalom um Zoes Ausflug und seine Forschungsarbeit. In beiden Fällen gab es weit mehr Rätsel als Gewissheiten. Es würde noch Jahre dauern, bis die isische Zellgenetik einigermaßen verstanden war. Die biochemische Maschinerie war zermürbend komplex. Was sollte man

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