Birne sucht Helene
bei einer Jukebox. Aus Pauls Mund kam ein Titel der Bläck Fööss. Er merkte gar nicht, wie er ihn leise trällerte: »Ich han Stunde jesesse, nur Kiwis jejesse für DICH, DICH, DICH/Oh, Oh Eli, ich han mich verlore, verlore an dich.«
Plötzlich baute sich Günther vor ihm auf. »Schön gesungen – aber falsch. Es ist Katrin, nicht Eli, und Big Mac statt Kiwi.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin ja bei den Funke ruut-wieß, vierter Knubbel,Stippe fott! Da weiß man so was, du Karnevals-Blötschkopp.«
Paul musste raus. Einfach raus. An die frische, eiskalte Luft, auf den rutschigen Kölner Beton, beschmiert mit Schneematsch, gekörnt mit Streusalz. Das Straßenverkehrsamt lag in Köln-Poll, auf der falschen Rheinseite, der Schäl Sick – also dort, wo nicht der Dom stand. Und um die Lage noch unattraktiver zu machen, befand sich in direkter Nachbarschaft der riesengroße Deutzer Friedhof.
Paul nahm einen weniger morbiden Weg, auf dem sich auch ein Kiosk befand. Sein Stamm-Kiosk – für eine Stammkneipe hatte es leider nicht gereicht. Der Laden führte eine große Auswahl an Frauenzeitschriften. Es musste schließlich weitergehen, oder? Eli hatte ihren Traummann, dann musste er jetzt eben seine Traumfrau finden. Und die nette Tante Brigitte würde ihm dabei helfen.
Ein in sämtlichen Regenbogenfarben blinkender Springbrunnen und eine Uhr in Minarettform bildeten neben allerlei Tinnef die Schaufensterauslage. In dem Laden selbst konnte man sich kaum drehen, so voll war er mit Zeitschriftenständern, Süßigkeiten- und Salzgebäckregalen, Zigarettenstangen, einer Tiefkühlbox, einer riesigen Theke mit Spirituosen – und einer ansprechenden Auswahl an Gebetsteppichen. An der Wand hing ein Fernseher, über den in Schrei-Lautstärke eine türkische Quizshow namens »Tövbekarlar Yan ¸sıyor« lief, in der Rabbiner, Imame und Mönche versuchten, Atheisten zu bekehren.
Der Bärtige hinter dem Tresen begrüßte Paul fröhlich.
»Morgen, Cheffe! Alles paletti?«
»Lass gut sein, Ömer. Heute nicht.«
»Isse de Laune sleckt?«
»Schlechter.«
Nach Arbeitsschluss sprach Ömer perfektes Hochdeutsch, doch er war der Meinung, dass seine Kundschaft etwas anatolischesFlair erwartete. Paul fand, das war ein netter Zug von ihm. Doch er konnte diese Kumpelei gerade überhaupt nicht vertragen. Am besten wäre es, wenn niemand mitbekäme, dass er Frauenmagazine kaufte – Paul würde lieber in einer Dessous-Abteilung beim Kauf von Spitzen- BH s erwischt werden. Wenn ihn da ein Typ blöd anmachte, konnte er immerhin sagen: »Ist für meine Frau.« Dann würde der Bursche süffisant lächeln und sich ein scharfes Playmate vorstellen. Aber bei einer Marie-Claire erntete man nur ein müdes Nicken der Marke: Beziehung scheintot – kein Sex mehr – Theater-Besuche und Nippes auf den High-End-Boxen – verstehe, mein Junge.
Hinter Paul klingelten die Glöckchen über der Eingangstür, er klappte sofort den Kragen seiner Winterjacke hoch. Hoffentlich kein Kollege, bitte nicht Günther!
Schnell packte er sich einen Stapel Frauenmagazine und legte eine Men’s Health zur Tarnung darüber.
Dann erblickte Paul erstmals in seinem Leben eine Lisa Kochen & Backen . Auf dem Titelbild eine fröhlich grillende junge Frau – ohne einen einzigen Fettspritzer auf der modischen Schürze. Das roch nach einem Thema für ein Gespräch! Paul blätterte in dem Magazin. Nur Rezepte, ein paar Dekorationstipps für die festliche Tafel, eine Seite über mallorquinischen Wein, eine mit Bastelanleitungen für Einladungen. Zusätzlich gab es die Beilage »Molekularküche – Arbeiten mit Stickstoff«, sowie das Special »Natürlich genießen – es geht auch ohne Konservierungsstoffe«.
Nichts, was er für ein Gespräch mit einer Mini-Fahrerin benutzen konnte. Kochten Mini-Fahrerinnen überhaupt?
Plötzlich war da ein gut duftender Frauenkörper neben ihm. Eine Brünette, ungefähr Pauls Alter.
»Oh, das sieht aber lecker aus«, sie grinste ihn keck an, zeigte auf das doppelseitige Foto, welches gedämpften Seebarsch mit Vanille, Babygemüse und Cappuccino-Sauce zeigte. »Find ich klasse,wenn sich ein Mann fürs Kochen interessiert. So was wünschen wir Frauen uns.«
Sie war wirklich hübsch, auf so eine Ikea-Katalog-Art, als gäbe sie sich nicht viel Mühe mit ihrem Äußeren, obwohl sie blendend aussah. Eine Frau, mit der man Ivar-Regale aufbauen wollte.
»Ich liebe Kochen«, log Paul und wünschte sich in diesem Moment, dass sie
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