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Birne sucht Helene

Birne sucht Helene

Titel: Birne sucht Helene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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erfrischend offenherzig. Wahrscheinlich total durchgeknallt, aber auf eine nette Art. Doch auch in seiner Zahlenkombination: totale Fehlanzeige. Keine 270313 . Die Zahl bedeutete Eli mehr als jede andere. Und kaum einem hatte sie erzählt, warum. Es war ihr Geheimnis, viel zu wertvoll, um es einfach so zu teilen. Eigentlich wusste nur ihre Schwester Katharina davon, mit der sie die Nacht Mails hin- und hergeschickt hatte, um das ganze Roman-Debakel durchzudiskutieren. Warum konnte Mailand nicht im Siebengebirge liegen? Katharina war einfach viel zu weit weg. Wobei: Seit sie so weit weg lebte, verstanden sie sich besser.
    Eli stand hinter dem Tresen in der obersten Etage, wohin sich morgens kaum jemand verirrte. Es war die naturwissenschaftliche Abteilung. Hier arbeitete nur, wer keine Karriere im Unternehmen plante. Dafür musste man nämlich bei der Belletristik loslegen oder den kostenintensiven Schulbuchbereich in eine Cashcow verwandeln.
    Eli fühlte sich auf der obersten Etage sehr wohl.
    Sie sortierte vom Bücherwagen die Neuerscheinungen ins Regal ein und ließ sich ausgiebig Zeit damit. Das Werk über Die bauliche Nutzung von Vulkangestein in der Eifler Ur- und Frühgeschichte stellte sie zu den populären Bildbänden – vielleicht fand es so einen Leser.
    Alssie zurückkam, lag ein Zettel auf ihrer Theke. Nicht rot, nicht parfümiert, nicht in Herzform, nicht mit einer Rose versehen – und doch wusste Eli sofort, dass er von Roman stammte. Vielleicht wegen der Sorgfalt, mit der er gefaltet war und genau dort lag, wo sie ihn auf jeden Fall sehen musste. Mitten auf der Tastatur.
    Sie blickte sich um. Es war immer noch weniger los als in einer Kölsch-Kneipe am Aschermittwoch. Aber über ihr hing eine Überwachungskamera. Sie griff sich unauffällig den Fund und verschwand hinter dem Regal für »Chemie«. Dort war keine Kamera platziert, denn niemand klaute hier je etwas. Warum auch?
    Eli faltete den schlichten, weißen Zettel auseinander. Sie hatte Romans Füllerschwung noch nie gesehen, doch das musste er sein. Elegant, sehr gerade, kaum Schnörkel. Konzentriert. Er schrieb wie ein Mann, der wusste, was er wollte.
    Und auf dem Zettel stand, dass dies ein Abend mit ihr war.
    Eli musste schmunzeln. Das war ja wie in der Schule, als man noch Zettel zum Ankreuzen bekam: Willst du mit mir gehen? Ja/Nein/Vielleicht/Nur Küssen.
    Irgendwie süß.
    Aber Roman hatte geschrieben: Wollen wir uns Samstag nach der Arbeit treffen? In der Altstadt bummeln?
    Da merkte man, dass er von außerhalb kam, aus Bad Kreuznach, wie sie in Erfahrung gebracht hatte. Kein Kölner mit einem Funken Selbstrespekt verirrte sich in die Altstadt. In diesem Touristenrevier wollte man nicht gesehen werden. Noch schlimmer war nur, mit einem Düsseldorfer Altbier an den Lippen erwischt zu werden. Das war wie Fremdgehen. Mit schlechtem Geschmack.
    Aber wieso eigentlich nicht in die Altstadt? Eli war noch nie da gewesen, und man musste doch offen für Neues sein! Es klang nach einem Abenteuer. Wie Las Vegas. Nur kleiner. Und ohne Glücksspiel.Glamour gab es auch nicht. Fehlanzeige bei großen Shows. Dafür Kölsch und Halve Hahn. Und das war es doch, was wirklich zählte.
    Ein wenig hatte Eli das Gefühl, den Zettel nun an ihre Brust drücken zu müssen. Doch sie widerstand dem Drang. Sie war in einem Alter, wo man keine Zettel mehr drückte. Wenn man drückte, dann gleich den ganzen Mann.
    »Könnten Sie mir helfen? Ich suche das Lexikon der Bratschen-Konzerte, Band IV .«
    Eli erschrak so sehr, dass sie sich fast in die Hose gemacht hätte. Überraschung schlug bei ihr immer auf die Blase. Das hatte sie von ihrer Mutter. Wie die knubbeligen Knie. Die würde sie ihr nie verzeihen.
    Der Von-der-Seite-Erschrecker sprach hochdeutsch mit perfekter Endsilbenmodulation. Er hatte ein höfliches Lächeln, das von oben kam. Typ Studienrat.
    »Den Gang runter und dann das zweite Regal rechts.«
    »Den Gang runter?«
    »Und dann das zweite Regal rechts.«
    »Rechts, ja?«
    »Da, wo die große Mozart-Büste steht.«
    »Ach, da. Sagen Sie das doch gleich.«
    »Werde ich demnächst machen.«
    »Und dort rechts?«
    »Das andere Rechts«, sagte Eli leise. Denn laut hätte es unter Umständen eine Abmahnung bedeutet.
    »Nun werden Sie mal nicht frech!«
    Ups, der Studienrat hatte gute Ohren. Sie setzte ihr breitestes Lächeln auf und wies in die entsprechende Richtung.
    Es war Elis längstes Gespräch des Tages – denn die meisten Wissenschaftler kamen mit

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