Birne sucht Helene
es. Schöne Kleider mit großen Mustern, geringelte Schals, norwegische Wintermützen, hohe Lederstiefel, Jeans mit Blumenstickereien. Hauptsache: schön bunt und die Stile wild gemixt. Aber ihre Mutter wollte, dass sie wie Michelle Hunziker aussah. Dabei sahen sie sich überhaupt nicht ähnlich! Hunziker war groß und blond, Eli zierlich, mit roten Korkenzieherlocken. Nur eine Ähnlichkeit gab es: Sie hatten beide einen Mund, der wie zum Lachen gemacht war.
Eli verfluchte den Tag, an dem die Italienerin bei »Wetten, dass?« eingestiegen war.
»Ich guck, ob ich beim nächsten Einkauf was Passendes finde.«
»Mach das aber auch! Und schau mal wieder in die Kontaktanzeigen. So hat Tante Uschi auch ihren Dieter kennengelernt. Und derist wirklich ganz passabel, das mit der Hygiene bekommt die Uschi bei ihm sicher auch noch in den Griff.«
Eli atmete tief durch und zwang sich ein Lächeln ins Gesicht. Denn sie hatte mit all dem gerechnet. Und in der Tasche lag ihre Rettung.
»Weiß ich doch, Mama«, flötete Eli deshalb nun und suchte den Zeitungsausschnitt, während sie mit den Knien weiterlenkte. »Gerade heute habe ich eine tolle Anzeige gefunden. Warte, ich hab sie gleich, dann kann ich sie dir vorlesen. ›Birne sucht Helene‹ fängt die an. Ein Beamter Ende zwanzig, wenn das nicht was Verlässliches ist, Mama. Und es stand sogar darin, dass er lebendig ist! Genau so einen suche ich doch. Ein toter Mann hat nämlich auch Nachteile. Dieser Beamte sucht eine Frau mit Charme und Humor – wahrscheinlich weil man viel Humor haben muss, um ihn attraktiv zu finden.«
Das hatte sie gerade doch nicht wirklich gesagt, oder? Das hatte sie doch sicher nur gedacht!
Als sie hörte, wie ihre Mutter am anderen Ende der Leitung leicht röchelnd die Luft einsog, wusste Eli, dass deren Zunge das Hirn übertölpelt hatte.
»Elisabeth, bitte. Das ist eine ernste Sache für eine Frau. Ich will doch nur, dass du abgesichert bist.«
Oh, Gott. Sie sagte schon Elisabeth zu ihr. Jetzt gab es nur noch eine einzige Steigerung: Wenn sie anfangen würde zu weinen – und davon erzählte, wie sehr sie sich Enkelkinderchen wünschte. Und da Elis jüngere Schwester Katharina in Mailand Modedesign studierte, fiel die Weitergabe der familiären Gene vorerst ihr zu.
»Eli, du weißt doch, wie sehr ich mir Enkelki …«, ihre Stimme brach schluchzend ab. »Ich seh schon kommen, dass mir Katharina eher Enkelkinder schenkt als du. Sie ist ja schon so selbständig und weiß, was sie im Leben will.«
Eliwollte schreien, doch beschloss, lieber ganz schnell eine Kontaktanzeige vorzulesen, die glaubwürdiger klang. Verdammt, wo war nur die blöde Zeitungsseite? Warum musste nur immer alles Wichtige in der Tasche nach unten rutschen? Nur der Blödsinn trieb immer oben. Da! Jetzt hatte sie etwas gegriffen, das wie Papier knisterte.
Da krachte es.
Sumpfi stand plötzlich.
Ein Verkehrsschild hatte sich Eli in den Weg gestellt. Einfach so. Ohne Vorwarnung.
»Eli? Lebst du noch?«, rief ihre Mutter aus dem Telefon. »Sag doch was, Kind. Soll ich den Arzt rufen?«
»Ja, Mama. Deinen alten Hausarzt in Bornhorst. Der soll den nächsten Flieger nach Köln nehmen und das Stoppschild schienen.«
Eli legte auf. Das würde sie sicher noch bereuen, aber gerade jetzt tat es verdammt gut.
Sie brauchte wirklich einen Freund. Dringend. Und wenn nur, um ihre Mutter endlich zum Schweigen zu bringen!
Paolo Birnbaum, genannt Paul, war so gut drauf wie ein drei Wochen altes Thunfischbrötchen. Wieder einmal hatte niemand auf seine Kontaktanzeige geantwortet. Und als einzige neue Bekanntschaft hatte er eine aufkeimende Krankheit.
Die Sprechstundenhilfe lächelte ihn jetzt allerdings so nett an, als kuschelte sie gerade mit ihm am Baggersee und die Sonne ginge endlich unter.
»Ich schau, dass Sie schnell drankommen. Sie sehen ja richtig elend aus.«
Sie sah ein wenig aus wie Pauls zweite Freundin Sabine. Mit ihr war er auf der Messdienerfahrt nach Korfu zusammen gewesen. Damals hatte er sich immer gewundert, warum sie nur vor anderen Jungs mit ihm knutschte. Irgendwann wusste er es. Sie wollte Dirkeifersüchtig machen, das testosterondurchtränkte Alphamännchen. Sie hatte ihn nur benutzt.
Paul wollte gern mal wieder benutzt werden. Eigentlich stimmte alles an ihm, er war so klug, dass er es bei Günther Jauch ohne Joker zur 64 000 Euro-Frage geschafft hätte, und auch was Aussehen betraf, konnte Paul nicht klagen – dank der italienischen Gene seiner
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