Bis an das Ende der Nacht (German Edition)
Aber dann hat er sich wieder in der Gewalt.
Unsere Gespräche waren mir immer so wichtig, sagt er. Ich will nichts zu dir sagen, was ich nicht so meine.
Sie nickt.
Ich werde dich nicht bitten, mir zu helfen, sagt er. Aber ich würde mir wünschen, dass du da bist. Wenn du sagst, du kannst es nicht, dann verstehe ich das, aber … aber Elise, wenn ich schon sterben muss – er schüttelt den Kopf – lass mich in deinen Armen sterben. Wenn du mich liebst, dann hast du die Kraft dazu.
Irgendwie schafft sie es, die Flamme unter der Suppe abzudrehen. Sie geht zu ihrem Mann und umschlingt seine Schultern, seine Arme (die dünner geworden sind, sie spürt es deutlich), und so glühend sie kann, erklärt sie ihm – zum zehntausendsten Mal, zum hunderttausendsten Mal? – ihre Liebe.
Am Wochenende geben sie ihr Essen. Elise hat einen Braten mit roten Kartoffeln gemacht, Alberts Leibgericht. Ihre Kinder kommen (aber ohne die Enkelkinder), und zwei alte Freunde von Albert, beides Ingenieurskollegen, mit ihren Frauen. Die Ingenieure haben Zigarren und eine Flasche sündhaft teuren Scotch mitgebracht und scheinen sich darauf verständigt zu haben, lustig zu sein. Die Kinder sitzen da, bleich und stumm, bestürzt über die Fröhlichkeit ihres Vaters. Er und Elise sind sich einig, dass sie nicht wissen sollen, was er plant. Aber seinen Freunden muss er es nicht erst sagen; sie sind selbst alte Männer und legen, wie Albert, Wert auf ihre Würde, und wenn sie auch nicht im Einzelnen wissen, was er vorhat, ist ihnen doch klar, dass sie ihn nach diesem Abend wohl nicht wiedersehen werden. Nach dem Essen stehen sie zu dritt hinten auf der Veranda, in den Händen Gläser mit dem guten Scotch, dazu die brennenden Zigarren, und als das Gespräch einmal ins Stocken kommt, sagt Albert: Gentlemen, es war mir ein Vergnügen. Ich hoffe, ihr wisst, wie sehr ich euch schätze.
Die beiden legen ihm mit feuchten Augen die Hand auf die Schulter.
Bitte schaut ab und zu bei Elise vorbei, sagt Albert. Ich weiß, eure Frauen machen das sowieso – aber ihr bitte auch. Helft ihr ein bisschen, wenn was zu reparieren ist; sie ist hoffnungslos in solchen Sachen. Aber ihr dürft – bitte schaut, dass sie nicht allein ist. Sie hasst es, allein zu sein. Das wird alles schwerer für sie, als sie sich anmerken lässt.
Wie sollte es auch leicht sein?, sagt der eine Freund heiser.
Die Frau vergöttert dich schließlich, sagt der andere. Und das seit fünfzig Jahren.
Albert seufzt und trinkt einen Schluck. Davon wird er Magenschmerzen bekommen, aber keine unerträglichen; er hat zu viel Schönes mit seinen Freunden erlebt, um jetzt ihren Scotch zu verschmähen.
Der Erste lacht leise, mit demselben unterschwelligen nervösen Beben in der Stimme, mit dem sie alle schon die ganze Zeit sprechen.
Was ist?, fragt Albert.
Ich wollte grade sagen, was für ein Glückspilz du bist, sagt der Mann.
Sie lachen, und es ist so, wie Albert gehofft hat. Lachen! Er ist ein toter Mann, aber heute Abend, mit seinen beiden Freunden, trinkt er gierig dieses Gelächter in sich hinein, das vielleicht sein letztes sein wird, so unschätzbar und einzigartig wie dies alles, wie sie alle hier.
Später am selben Abend liegen er und Elise in ihrem breiten weichen Bett beieinander. Er hat Schmerzen; sie sind jetzt überall, nicht nur im Bauch, sie strahlen bis in die Knochen von Hüfte und Oberschenkel. Selbst der simple Akt des Sitzens ist mühselig geworden. Bald – wenn er es dazu kommen lässt – wird er nicht mehr ruhig dasitzen können, und er wird um stärkere Medikamente bitten müssen. Noch ist es auszuhalten, aber in einem oder zwei Tagen kommt er um den Anruf nicht mehr herum.
Manchmal redet er sich ein, dass dem Krankenhaus und den Ärzten ein schrecklicher Irrtum unterlaufen ist und er doch noch gesund werden kann. Auch heute Abend hat er sich kurz dazu verleiten lassen, draußen auf der Veranda mit seinen Freunden. Aber in einem Moment der Ruhe und Sammlung wie jetzt spürt er den Krebs in seinem Innern mit einer stillen Gewissheit, meint fast seine Umrisse ertasten zu können unter der weichen nachgiebigen Haut seines Bauches. In anderen Nächten hat ihm das Angst gemacht, aber nun, wo Elise warm und weich an seiner Seite liegt und sie sich geliebt haben – zu Ende bringen konnten sie es nicht, aber er hat es geschafft, mit hämmerndem Herzen ein Weilchen in ihr zu bleiben, Gott sei es gedankt -, fühlt er keine Furcht.
Er kapselt sich einen
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