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Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Bis an das Ende der Nacht (German Edition)

Titel: Bis an das Ende der Nacht (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Coake
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ihren Blick auf sich. Wayne hatte die Beifahrertür des Impala geöffnet und beugte sich hinein; sie konnte seinen Rücken unter dem Deckenlämpchen sehen. Was machte er da? Vielleicht hatte er seinen Aschenbecher umgeschüttet. Sie trat ans Fenster und brachte ihr Gesicht nahe an das Glas.
    Er duckte sich aus der Tür und richtete sich auf. Er sah sie und schaute, immer noch an der offenen Autotür stehend, einen Moment lang zu ihr herüber. Er wischte sich mit der behandschuhten Hand die Nase. Weinte er? Schuldgefühl durchzuckte sie, so als könnte er ihre Gedanken gelesen haben. Aber dann lächelte er und hob einen Finger: Gleich.
    Sie winkte kurz – rein mit dir, aber dalli – und zog ein Gesicht, verdrehte die Augen zum Rest des Hauses hin. Hopp.
    Er schüttelte den Kopf, hielt wieder den Finger hoch.
    Jenny verschränkte die Arme. Nächste Woche würde sie Larry sehen; Emily fuhr nach Michigan. Dann konnte sie schon einmal anfangen, es ihm zu sagen.
    Wayne beugte sich ins Auto, stellte sich dann wieder gerade hin. Er grinste.
    Sie streckte die Hände nach den Seiten, Handflächen nach oben: Was ist jetzt? Ich warte.

1970
     
    Als Wayne ihr plötzlich die Augen verbinden wollte, fürchtete Jenny schon, er würde irgendwelche Sex-Spielchen ausprobieren, einen Playboy -Tip vielleicht, der neuen Pep in ihr Liebesleben bringen sollte. Aber er schwor, dass er nichts dergleichen vorhatte, und führte sie zum Auto. Nach fünfzehnminütiger Fahrt mit über der Brust gekreuzten Armen, gefolgt von der Entdeckung, dass er sie allen Ernstes mit verbundenen Augen durch hüfthohes Unkraut und klebrige Spinnweben zu lotsen gedachte, wünschte sie langsam, er hätte doch Sex im Sinn.
    Wayne, sagte sie, entweder du sagst mir jetzt, wohin wir gehen, oder ich mach das Ding ab.
    Es ist gar nicht weit, Liebling, sagte er; sie hörte an seiner Stimme, dass er grinste. Verlass dich einfach auf mich. Ich geb für dich auf deine Füße Acht.
    Sie waren in einem Wald, so viel war leicht zu erraten. Sie hörte über sich Blätter rascheln, hörte Vogelrufe, roch das dichte, zu nahe Unterholz. Zweimal stolperte sie, und ihre Hände schrammten über Baumstämme, pelzigen Judenstrick, ehe Wayne ihren Arm fester fasste. Trotzdem, sie mussten auf einem Pfad sein; selbst blind merkte sie, dass sie zu leicht vorankamen, um durchs Dickicht unterwegs zu sein. Das hieß, sie waren in Waynes Wald, dem Wald, der seinen Eltern gehörte. Auch das war nicht schwer zu erraten; er redete ständig davon. Ein paar Mal hatte er ihn ihr auch vom Auto aus gezeigt, aber für sie sah er aus wie jedes andere Gehölz hier in der Gegend: eine grüne Wand im Sommer, stumpfes Graubraun im Winter, zu dicht, als dass das Licht von der anderen Seite hätte hindurchscheinen können.
    Ich weiß, wo wir sind, sagte sie.
    Er fasste ihre Hand und lachte. Kann schon sein, sagte er. Aber du weißt nicht, warum.
    Ein wahres Wort. Ihr Rock verfing sich in einem Busch, und einen Moment lang zerrten die Dornen und Waynes Hand gleichzeitig an ihr. Dann riss der Stoff, und sie war frei. Sie fluchte.
    Ach je!, sagte Wayne. Tut mir leid, tut mir leid, wir sind gleich da.
    Sonnenlicht blitzte zum oberen Rand ihrer Augenbinde herein, und die Geräusche um sie wurden offener, weiter. Sie mussten auf einer Lichtung stehen. Ein Luftzug strich an ihnen vorbei, und sie roch Frühling auf dem Lande: knospendes Laub und Dung.
    Also dann, sagte Wayne. Bist du bereit?
    Ich weiß nicht, sagte sie.
    Liebst du mich?
    Natürlich liebe ich dich, sagte sie. Sie streckte die Hand nach ihm aus – und griff ins Leere. Okay, sagte sie, jetzt reicht’s. Gib mir die Hand, oder ich nehme die Binde ab.
    Sie hörte seltsame Geräusche – war das Metall? Glas?
    So, gleich haben wir’s, sagte er. Setz dich hin.
    Auf den Boden?
    Nein. Setz dich einfach hin.
    Sie setzte sich, von ihm bei den Schultern gefasst, und fand sich, bestürzt fast, auf einem Stuhl wieder. Einem Klappstuhl aus glattem Metall.
    Und nun knotete Wayne die Binde auf und fegte sie zur Seite. Alles Gute zum Hochzeitstag!, sagte er.
    Jenny blinzelte in der plötzlichen Helle, aber nur einen kurzen Moment. Dann öffnete sie die Augen richtig und sah, dass sie auf einer Wiese saß, ganz wie erwartet, einer Wiese vielleicht fünfzig Meter im Durchmesser, mit hohen grünen Bäumen ringsum, die im Wind wogten. Vor ihr stand ein Klapptisch mit einem rot-weiß-karierten Tischtuch darauf. Der Tisch war gedeckt, mit ihrem guten Porzellan – den

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