Bis an das Ende der Nacht (German Edition)
niemand durfte es wissen, aber Emily war unfruchtbar. Sie hatten es kurz vor dem Umzug in das neue Haus bestätigt bekommen.
Wayne stellte den Motor ab. Das Licht über der Garage brannte nicht, und Jenny konnte ihn nicht mehr sehen; das Bild des Wagens wurde überlagert von ihrem eigenen Spiegelbild in der Fensterscheibe. Sie drehte sich um und fing an, das Geschirr einzuräumen. Ich glaube, da kommen noch ein paar Geschenke, hörte sie ihre Mutter sagen. Lautes Juchzen von Danny, Antwortquietschen von Alex.
Gleich würde Wayne zur Haustür hereinkommen und vergessen, sich den Schnee von den Füßen zu treten. Und sie musste ihm entgegengehen und ihm einen Kuss geben und so tun, als schmeckte sie den Zigarettenrauch in seinem Atem nicht. Sonst schmollte er wieder.
Das brachte sie am meisten auf die Palme: Sie konnte es ihm erklären und nochmals erklären (später, wenn die Kinder im Bett waren), Wayne würde einfach nicht begreifen, was er falsch gemacht hatte. Er hatte den Kindern Geschenke gekauft – er hatte wahrscheinlich auch ihr ein Geschenk gekauft. Er war in letzter Zeit launisch gewesen, hatte viele Überstunden gemacht, und das hier – das wusste sie – war seine Art der Abbitte. In seinem Kopf ging es alles wunderbar auf: Er würde eine Geste machen, die weit mehr wog als jede Grantigkeit, jedes Schweigen am Abendbrottisch. Er würde zur Tür hereinkommen wie der Weihnachtsmann höchstpersönlich. Und wenn sie ihm sagte: Das Einzige, was ich mir wirklich gewünscht habe, war ein ganz normales Essen mit der Familie, würde er verletzt schauen, als hätte sie ihn geohrfeigt. Aber, würde er sagen, und seine Mundwinkel würden sich nach unten biegen, ich wollte doch nur – und dann dürfte sie sich haargenau die Geschichte anhören, die er sich eben jetzt im Kopf zurechtlegte …
Sie hatten das schon öfter durchgespielt. Zu oft. Sie wusste genau, wie der Abend weitergehen würde. Und die Aussicht auf diese ganze Prozedur, ihre Vorhersehbarkeit -
Jenny stellte einen Teller hart auf der Anrichte ab. Sie blinzelte; in ihrer Nase stach es. Beim Gedanken an Wayne wurde ihr elend. Ihr Mann kam am Weihnachtsabend nach Hause, und sie ertrug es nicht.
Vor einem Monat, als Wayne in Chicago zu tun hatte, hatte sie der Polizei einen Eindringling gemeldet. Das war riskant, sie wusste es, aber ihr war urplötzlich so zum Weinen gewesen bei der Vorstellung, dass sie und Larry sich wochenlang nicht sehen würden. Sie hatte gefragt, ob der Sheriff wohl vorbeikommen könne, und der Sheriff war gekommen. Sein glückliches Gesicht, als sie ihm die Tür aufmachte, als er verstand, dass Wayne fort war! Sie nahm ihn mit nach oben, und sie liebten sich, und hinterher sagte sie: Jetzt überrasch du mich, und er fuhr mit ihr in seinem Streifenwagen zu einem Stück Straße nicht weit von ihnen, das auf eine Meile oder mehr völlig leer lag, und sagte Halt dich fest, und trat das Gaspedal durch. Der Wagen schien geradezu darauf gewartet zu haben. Sie stützte sich am Armaturenbrett ab, und die Straße, die leicht hügelig war, hob sie aus ihrem Sitz und fing sie wieder auf, bis sie sich fühlte wie ein junges Mädchen. Hundertzwanzig Sachen, sagte Larry auf seine ruhige Art in ihr Kreischen hinein. Nur geht uns leider die Straße aus.
Daheim umarmte sie ihn dann, küsste sein Kinn. Er hatte es ihr schon gesagt, mehr oder minder, und nun sagte sie es ihm: Ich liebe dich. Er wurde bis über beide Ohren rot.
Sie würde Wayne verlassen.
Natürlich hatte sie auch vorher schon daran gedacht – war im Kopf probehalber die Möglichkeiten durchgegangen, immer wieder einmal in den letzten vier Jahren, und verstärkt, seit es Larry gab. Aber jetzt wusste sie es plötzlich sicher; eine Grenze war überschritten. Sie hatte auf einen Auslöser gewartet, irgendetwas mit Larry, aber nun würde sie schon vorher handeln müssen. Wie viel Vorlauf brauchte sie? Ein paar Monate, allerhöchstens. Sie musste sich irgendwo eine Wohnung organisieren. Eine Arbeitsstelle – vielleicht in Indianapolis, auf alle Fälle aber außerhalb von Kinslow. Und dann würde sie Larry sagen – sie musste es behutsam angehen, aber sie wollte, dass es feststand, ein- für allemal -, dass es jetzt bei ihm lag: Sie war bereit.
Denn das war die Wahrheit: Sie liebte ihren Mann nicht – ja sie mochte ihn nicht einmal besonders – und würde nie mehr etwas für ihn empfinden. Es musste sein. Larry hin oder her, es musste sein.
Etwas draußen vor dem Fenster zog
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