Bis ans Ende der Welt
mehr als sehenswert. Der Berg jedoch war immerhin steil genug, daß eine Treppe hin führte. So blieb ich aus Faulheit lieber in einer privaten Unterkunft unterhalb der Stadtmauern, über die ich zufällig stolperte. Das am Hang gelegene Bauernhaus machte einen guten Eindruck, alles war sauber und wohl anzusehen, die Wirtsleute waren überaus freundlich und großzügig. Am Abend veranstalteten sie im Garten eine Festmahlzeit, wie ich sie vor und danach nicht erlebte. Sie bestand aus mindestens acht köstlichen Gängen, die sogar mich endlich satt machten, und ich möchte lieber nicht von der Unmenge Wein reden, mit dem ich alles hinunterspülte. Am besten aber waren die im Armagnac eingelegten Feigen, die es zum Abschied gab. Das brach wirklich alle Herzen, und die anwesenden Pilger sangen Hymnen auf die Gastlichkeit dieser Leute, denen unser Wohlsein offenbar wirklich was bedeutete. Um diese Zeit habe ich bereits an die fünf Kilogramm Gewicht verloren und hatte einige Probleme, meine inzwischen völlig verschlissene Wanderhose über der Hüfte zu halten. Deshalb war ich für eine anständige Mahlzeit gleich doppelt dankbar. Auch wenn ich dafür in dieser Nacht nicht ganz so bequem schlief, so war es ein kleiner Preis. Merkwürdigerweise machte mir der erhebliche Weinkonsum keinerlei Probleme, nicht jetzt und nicht später. Der Körper verbrannte alles sofort zu Zucker, und ließ mir nicht einmal das Kopfweh übrig. In der Nacht saß ich schon wieder im Garten und redete mit dem Herrn über himmlische Dinge und seine Wunder, die er ungefragt über uns ausschüttet, und das Universum mit allen Sternen und Planeten drehte sich nur um uns und diesen Ort und nicht, wie vielfach behauptet, sinnlos herum und auseinander. Und der Mond hing so tief und fast zum Greifen nah, so daß man glatt hätte glauben können, das dort von den Amerikanern vergessene Mondauto vor der Bar an einem Hydranten parken zu sehen.
Moissac, km 1715
Deshalb, und weil das Frühstück dem Abendessen in Menge und Qualität nicht nachstand, war ich der allerletzte, der am nächsten Morgen den Gîte verließ. Bei all der Faulheit und Gefräßigkeit, wie habe ich es nur bis hierher geschafft? Keine Frage, doch nur durch Fleiß und Begabung! Langsam trottete ich dahin, dann doch wieder schneller und motivierter, weil es gut bergab ging und mich das Gewissen antrieb. Auf den Besuch der Altstadt von Lauzerte verzichtete ich lieber. Der Grund war der von gestern, und die Entscheidung fiel mir nicht schwer. Der Berg war aberwitzig steil. Der Fluß fließt nicht auf Berge. Ich hoffte trotzdem, hier irgendwo am Stadtrand noch eine Bäckerei zu finden. Alle Vorräte waren praktisch aufgebraucht. Aber umsonst. Hätte ich vielleicht doch in die Stadt gehen sollen. Unten am Fluß traf ich auf einer hüfthoch bewachsenen Wiese Laure, Céline und Angela, die dort seltsam unschlüssig herumstanden. Sie müssen schon eine Weile da gewesen sein, ein kleines Feld haben sie schon freigetrampelt. Doch war es für eine Ruhepause noch zu früh. Sie haben oben in der Stadt in der kommunalen Herberge übernachtet, und schimpften wie die Spatzen über sie. Da hatte mich der Herr wohl in ein besseres Haus geführt. Ich dachte, sie werden sich mir nun anschließen. Ich habe die Zeit mit Sissi und Joanna nicht vergessen und hätte gegen die Begleitung von drei hübschen Jungfern nichts einzuwenden. Doch sie machten irgendwie verlegenen Eindruck und keinerlei Anstalten weiterzugehen. Frauen sind halt immer irgendwie seltsam. Zumindest für mich. Ich machte mich also lieber auf den Weg. Aber das hieße, zu billig davonzukommen. Und so schenkte mir eines der Mädchen zum Abschied noch eine Baguette. Nicht nachvollziehbar. Es hatte doch nur die eine! Vermutlich beliebte der Herr wieder zu scherzen, oder er bediente sich wie gewohnt einfach des nächst verfügbaren Mittels. Die irrsinnigsten Zufälle brachte er zustande, und sei es nur, um einem etwas mitzuteilen. Darin war er ein Meister. Und zuckte dabei nicht mal mit der Wimper. Aber das Brot war für mich wichtig, und es blieb auf dieser Tagesetappe nur diese eine Gelegenheit dranzukommen. Bis nach Moissac gab es tatsächlich keinen Laden, kein Restaurant. Ich wollte es nun wissen und hielt fleißig Ausschau.
Moissac stellte für mich ein wichtiges Zwischenziel dar. Nicht nur, weil es seit dem Mittelalter eine wichtige Station für alle Pilger auf der Via Podiensis ist. Es ist auch eine der wenigen größeren Städte auf dem
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