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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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Fürst inspiriert haben soll, starb hier in einem Hinterhalt, als er einen Aufstand gegen den König von Navarra niederzuschlagen versuchte. Diese Stadt war ein Musterstück europäischer Kulturgeschichte. Den Einheimischen, die lachend, schwatzend, schreiend, singend, klatschend, schnaufend, streitend überaus zahlreich die Gassen bevölkerten, schien es ziemlich egal zu sein. Für sie war alles der schlichte Alltag, und sie waren voll und ganz mit ihrem Einerlei beschäftigt. Und auch ich dachte mehr an eine Dusche und eine gute Mahlzeit, die mich erwarteten, als an die Mühe der unzähligen Generationen, das hier aufzubauen und zu erhalten.
    Die Albergue lag inmitten dieser architektonischen Pracht, war ein Teil davon. Innen aber war es mehr als einfach. Auf drei Stockwerken fanden in etlichen Zimmern siebzig bis hundert Pilger Platz, je zwanzig in einem Raum. Es gab einen kargen Aufenthaltsraum mit einem Wasserkocher, im Keller gar Waschmaschinen und Trockner, aber nur vier Duschen und zwei Toiletten. An der Rezeption hatte man Schuhe und Pilgerstöcke zu deponieren und erhielt gegen einen kleinen Obolus das Bett zugewiesen. Sie waren gleich dreistöckig, ziemliche Ungetüme. Für diejenigen, die ganz oben schliefen, und womöglich auch etwas unruhig, mochte die Höhe von dreieinhalb Meter gefährlich werden. So gerne auch ich oben schlief, diesmal blieb ich doch lieber am Boden. Wer da herunterfiel, setzte seine Pilgerschaft am nächsten Tag gewiß nicht fort. Der Raum füllte sich rasch mit Neuankömmlingen, die in Erledigung ihrer Geschäfte zügig auf und nieder kletterten und dem Ganzen das gewisse Ambiente eines Affenkäfigs verliehen. Darüber hinaus gab es je Zimmer nur einen einzigen Stuhl, der von der Breite her gerade noch zwischen die Bettreihen paßte, so daß außer Herumklettern einem nichts anderes übrig blieb als flach auf dem Bett zu liegen. Nur so war man von den ständig hinunterfallenden Gegenständen relativ sicher. Es kam so ziemlich alles runter, besonders gefährlich waren volle Aluflaschen, Messer und Gabel. Es war einfach nicht zu vermeiden. Den Rucksack mußte jeder mit ins Bett nehmen oder unter ein Bett schieben. Wenn er noch Platz fand. Eigentum vermischte sich leicht. Ich stellte fest, in der letzten Herberge die Seife vergessen zu haben, fand jedoch statt dessen ein Spanischwörterbuch, welches ich zuvor gemeinsam mit dem Schreibzeug in Roncesvalles einbüßte. Vielleicht war es sogar mein eigenes. Am Fensterbrett entdeckte ich ein Gefäß mit Wanzenabwehrmittel. Da Wanzen eine ständige Plage in den Herbergen waren, freute ich mich zunächst, ein Kampfmittel gefunden zu haben. Dann aber las ich das berühmte Kleingedruckte über Gefahren und Nebenwirkungen. Es schien für Menschen viel gefährlicher als für Wanzen zu sein. Ich stellte das Teufelszeug wieder aufs Fensterbrett und ging mir die Hände waschen. Das tat ich lange und gründlich und verließ anschließend das Haus. Auf der Straße war es bestimmt sicherer.
    Ich kam nicht weit. An der nächsten Bar stieß ich auf das französisch-spanische Pärchen und blieb prompt hängen. Ich mochte die zwei, die sich erst auf dem Camino kennenlernten. Sie war eine ernsthafte hübsche Frau mit einem Kind irgendwo, er hatte ein fröhliches, entwaffnendes Wesen, wie man es selten trifft. Etwas davon schien auf mich abzustrahlen. In ihrer Gesellschaft fühlte ich mich wohl. Vor der Kulisse eines römischen Tempels tranken wir, ratschten und gingen später in ein sehr feines Restaurant essen, das ein sogenanntes Pilgermenü anbot. Die gab es hier überall, doch in dieser Kategorie war es unüblich. Ein Klassenrestaurant. Die Gäste trugen feine Kleider und gaben sich betont distinguiert. Es gab sogar einen Ober im Frack. Wo paßten wir da hin? Die Portionen mochten etwas kleiner sein, aber das Essen und der Wein waren nicht schlechter, als sie den anderen Gästen serviert wurden. Desgleichen auch das Ambiente und die aufmerksame Bedienung. Und niemand rümpfte die Nase über uns, drei abgewetzte Jakobspilger. Wir blieben, solange es der Anstand zuließ, dann trollten wir durch die Straßen, die immer noch glühend heiß von der Nachmittagshitze waren. Im Süden hatte es angeblich seit fünf Monaten nicht mehr geregnet. Unbeschwert steckten wir unsere neugierige Nase überall hinein, was auch ein paar Privaträume mit einschloß, weil die Menschen hier an der Straße ihre Türen und Fenster einfach offen ließen. Dann aber, als wir es

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