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Bis ans Ende der Welt

Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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desgleichen auch in den großen Herbergen, die einfach mehr an Organisation nötig hatten und eine Rezeption führten. Eine Rezeption ist ein Amt, und wer dort sein Dienst tut, müht sich redlich. So ist der Mensch.
    Diese Herberge entpuppte sich dann als eine, wo Bürokratie, Zucht und Ordnung herrschten und Mogeln nicht möglich war. Kundschaft gab’s genug. Schon als ich ankam, wurde die Tür von Dutzenden Pilgern belagert, die verstaubt und verschwitzt vorm Eingang saßen und von sich hin stanken. Meist Deutsche, auch aus der Ex-DDR, aber immer noch einige Franzosen und Junzo, der alte Japaner, der mir schon in Roncesvalles auffiel. Als der Herr dieser Wanzenbude dann erschien und seines Ehrenamtes zu walten begann, war es ihm anzusehen, daß er sich der Wohltat uns gegenüber auch voll bewußt ist. Da konnte ich für die zwei nichts mehr tun, und das war gut so, weil sie hier nie ankamen. Ich aber in Ermangelung anderer Beschäftigung stöberte in dem Städtchen herum und fand ein kleines Hotel, das für fünfundzwanzig Euro Zimmer und Mahlzeit anbot. Noch skeptisch ließ ich mir das Zimmer zeigen. Es war sauber, neu eingerichtet, ein altes, doch sehr sauberes Bad lag auf dem Gang gleich daneben. Fünf Euro mehr, und ich hätte mein eigenes, aber es waren sowieso kaum andere Gäste da. Früher war es ein sogenanntes besseres Haus, heute ein Platz, wo kleine Vertreter für die Nacht absteigen. Das Abendessen bestand aus vier Gängen und einer Flasche Wein, der preisgerecht nicht aus Rioja, sondern aus Kastilien kam. Die kommunale Wanzenbude hätte ein Drittel dessen gekostet, es gab dort eine Dusche und zwei Toiletten für alle, und im Bett konnte man den Atem des Nachbarn im Nacken spüren. Als ich meinen Namen unter Offenbarung der Wahrheit wieder von der Liste streichen ließ, betrachtete mich der Verwalter sehr streng und eindringlich und wollte wohl was dazu sagen, aber andere drängten schon nach. So kam ich um eine sinnlose Diskussion herum. Seit ich den spanischen Boden betrat, war ich ziemlich angespannt, und hätte mich gewiß zu Äußerungen hinreisen lassen, die verletzend wären. Als ich draußen einer älteren Deutschen gegenüber die freie Meinung dazu äußerte, putzte sie mich schroff runter, Menschen wie sie seien für so eine Unterkunft, die ich als Wanzenbude bezeichnen möchte, mehr als dankbar. Amen. Sie war wie üblich etwa fünfzig Jahre alt, im wesentlichen nett und kommunikativ und sah nicht unvernünftig aus. Durchaus als jemand, der vielleicht gerne ohne Wanzenbisse aufwachen und ohne Hast seine Körperpflege betreiben würde. Doch das wäre wohl gegen den Geist des Camino. Ich sah nur wenige dieser Gerechten bei der Messe in der Kirche wieder. Ein paar Franzosen, Junzo und auch vier junge Burschen aus Ostdeutschland, die keinen Platz mehr in der Herberge fanden und nun, mangels Kraft zum Weitermarsch, unter dem feisten Hintern des steinernen Matamoros schliefen, der sie treu vor dem aufziehenden Nachtgewitter schützte. Sein überlebensgroßes Standbild gehört nämlich zu den wenigen Attraktionen dieses Städtchens.
    Ich hatte den meisten Nachmittag und den Abend nur für mich, konnte stundenlang in der Badewanne liegen, den geschundenen Körper pflegen, die Ruhe genießen und sogar fernsehen, wenn ich wollte. Dabei stellte ich fest, daß das spanische Fernsehen genauso dumm ist wie in den andern Ländern auch, und meine Überzeugung, daß Fernsehen eine grobe Verschwendung der Lebenszeit und, da allgegenwärtig, ein wichtiges Instrument der Gehirnwäsche ist, hat sich bei mir noch mehr verfestigt. Fernsehen ist eine Sucht, die kaum einem bewußt wird. Deshalb schaltete ich den Dummkasten erst überhaupt nicht an. Obwohl ich zu Hause seit Jahren nicht mehr fernsehe, die Sucht blieb. Eindeutig besser waren ja die paar Gespräche im Café und beim Herumlungern. Die hätte ich suchen sollen und nicht solch zweifelhafte Vergnügung wie das Fernsehen. Ich rechnete mir es als Sünde vor dem Herren an, aber er schwieg dazu, wie es ihm hier in Spanien halt beliebte. Aber er sorgte nach wie vor für mich, gab bereitwillig Wegzeichen, wenn ich sie brauchte, und stand mir überall in meiner Schwäche bei. Nur direkt sehen ließ er sich nicht.
Azofra, km 2257
    In einem anderthalb Meter breitem Bett, in frischen, kühlen Laken, ganz allein und in herrlicher Stille zu schlafen, war freilich ein ungeahntes Vergnügen, das motivierte. Und dann der Blick aus dem Fenster, weit, weit in die Ebene

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