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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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zu lassen. Damit, wie ich inzwischen wußte, brachte ich Sissi immer auf Trab, und ich wollte sie nicht unnötig unter Druck setzen. Immerhin konnte ich beim Zuhören mein französisches Ohr trainieren. Das ist bei der Beherrschung einer Sprache immer das Wichtigste, und es läßt sich nicht aus Büchern oder Schallplatten erlernen, sondern nur vor Ort durch Zuhören. Deswegen helfen auch keine Konversationsbücher, wie sie früher mal oder vielleicht noch heute mit auf die Reise eingepackt werden. Mit ihrer Hilfe kann man zwar die richtige Frage stellen, aber die Antwort versteht man dann sowieso nicht. Ein Kleinkind hört etwa zwei Jahre zu und lernt Laute zu formen. Danach kann es zwar immer noch nicht sprechen, versteht aber alles, was es in seiner Welt zur Kommunikation benötigt. Wenn ich die Sprechfertigkeit eines Fünfjährigen erreichte, konnte ich von mir mit Recht behaupten, ich habe eine Sprache gelernt. In der Schule lernt man acht bis zwölf Jahre eine Fremdsprache und kann viel weniger, das auch noch mit einem furchtbaren Akzent, weil man nie das Hören übte. Nun also hörte ich zu und beschwerte mich nicht.
    Solange wir im Tal entlang des Flusses gingen, war Joanna ohne Probleme. Aber bald ging es wieder steil aufwärts auf Eselspfaden. Das gab zwar schöne Aussichten, vor allem, weil heute wieder ein herrlicher tiefblauer Himmel mit Goldrand über uns stand, doch Joanna hatte bald genug. Immerhin hatten wir es wir bis ganz hinauf geschafft, bevor sie wieder schlapp machte. Also besetzten wir wie gewohnt eine schöne Waldwiese neben dem Weg und ließen es uns gu t gehen. Es war aber wirklich sehr steil an dieser Stelle, und die meisten vorbe i ziehenden Pilger sahen nicht besser als Joanna aus. Ich aber fing langsam an, mir Sorgen ob der kleinen Laufleistung zu machen. Mit diesem Tempo würde ich bis nach Santiago theoretisch in den Winter geraten. Meine Tagesetappe schrumpfte nun auf gerade die Hälfte des Üblichen. Dafür hatte ich die Mä d chen. Doch Erholung war es auch keine. Ich schleppte mich gerade noch dahin. Die schlimmen, blutigen Blasen von früher waren zwar weg, aber die tiefsitze n den an der Ferse taten auch so bei jedem Schritt höllisch weh. Die Sohlen bran n ten wie Feuer, obwohl ich darin kein Gefühlt mehr hatte. Jeden Abend rieb ich sie sorgfältig mit Fußkreme ein und trug tagsüber abwechselnd Sandalen, wenn er Weg fest genug war. Ich schwitzte wie die Tür vom Stall, was nicht nur d a von kam, daß die Temperaturen teilweise bei fünfunddreißig Grad lagen, so n dern es war auch ein Zeichen der Erschöpfung. Durch das andauernde Schwi t zen, verlor ich rapide Mineralien, bekam bereits seit einer Weile Krämpfe in den Händen und Füßen. Das Eßbesteck bekam ich nur aus der Hand, wenn ich mit der anderen Hand die Finger öffnete. Auch Elisabeth verlor deutlich an Energie. Am Tag zuvor lief sie voll Übermut in großen Sprüngen vom Berg hinunter, ließ sich nichts sagen, und am Abend klagte auch sie über Knieschmerzen. Vielleicht lag es nur an der schweren Strecke, und unsere Kondition war völlig normal. Die langen Mittagspausen hatten aber auch wir beide inzwischen ganz schön n ö tig. Da aber hier in Frankreich die Übernachtung stets voraus reserviert werden mußte, war es dann auch ganz gleich, ob man früher oder später in der Herberge ankam. Erst ab etwa sieben Uhr war das Bett dann weg.
    Ich wollte den Mädchen Gutes tun und versprach, am Abend wieder Ungarisch zu kochen. Wir hatten trotz der langen Siesta Zeit genug. Der Gîte lag inmitten eines idyllischen Campingplatzes hoch am Hang unter großen Pinien und mit einer grandiosen Aussicht ins Tal. Rundherum blühten wild Lavendel und Ro s marin. Ein Swimmingpool und eine Kaffee-Bar standen allen Gästen zur Verf ü gung. Die Herberge selbst lag etwas abseits, hatte einen großen Aufenthalt s raum, Kamin und voll ausgestattete Küche. Draußen an der Straße befand sich ein kleiner, doch gut sortierter Selbstbedienungsladen. Die Bedingungen waren also ideal, aber die Mädchen gingen baden. Sissi das Fohlen witterte gleich das Wasser und zog Joanna mit, ohne mir auch nur ein Wort zu sagen. Dort blödelte sie herum und stieß sie vom Beckenrand ins seichte Wasser, und Joanna tat sich dabei weh. Ich konnte es von der Barterrasse zwar sehen, aber nicht verhindern. Dort saß ich erst mit Monika und Lüdtke, die mich einfingen und zu einem Drink einluden, später dann noch mit einem professionellen Heiler, den ich

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