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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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schießen.
    Schließlich blieb uns nichts anderes übrig, als das Warten aufzugeben. Mehr als vier Stunden saßen wir hier schon fest. Was auch immer Joanna aufhielt, es war klar, sie werde hier heute nicht mehr vorbeikommen. Wir mußten unser Tage s ziel erreichen, die Übernachtung war reserviert. In Estaing konnten wir sehen, was zu tun ist, vielleicht hat jemand das Mädchen gesehen oder von ihm gehört. Wir machten uns also zügig auf den Weg und genossen den schnellen Gang. Trotz Sorge um Joanna war Sissi gut gelaunt und erzählte vergnügt von ihrer Familie. Nicht einmal die telefonische Nachricht, daß der Bruder einen Moto r radunfall hatte und im Krankenhaus liegt, konnte sie betrüben. Das sei in der Familie häufig der Fall, auch sie sei schon auf dem Mofa von einem Auto ang e fahren worden und habe sich dabei das Bein gebrochen. Dabei zeigte sie eine sehr appetitliche kleine Narbe unter dem Knie. Sie nahm es echt sportlich hin. Ich bat den Herrn für ihren Bruder. Der arme brach sich den Kiefer und sonst noch was und konnte eine neue, lukrative Stelle nicht antreten. „Der kommt schon wieder hoch, und Stellen gibt es genug,“ frohlockte Sissi das Fohlen, und wir wanderten Arm in Arm weiter und hörten über die Ohrhörer gemeinsam Musik von ihrem Telefon. Perfekte Harmonie und kein Wort über die verlore n gegangene Joanna.
    Vor Espalion überraschte uns dann die Perserkirche, die wir wie alle anderen Gotteshäuser unterwegs brav besuchten. Es ist ein eindrucksvoller romanischer Bau aus rosa Sandstein aus dem 11. Jahrhundert. An dieser Stelle wurde im Ja h re 730 der lokale Heilige Hilarian von den Sarazenen enthauptet. Der Legende nach habe er dann den ihm abgeschlagenen Kopf selbst noch bis zu einer Quelle getragen, um ihn zu waschen. So steht er, im Priesterornat und den Kopf in den Händen haltend, kopflos als Statue am Eingang. Es ist eine alte Pilgertradition, über den Reliquien des Heiligen zu meditieren. Innen aber herrschte eine düst e re, muffige Stimmung, die gleich über uns herfiel und bald unerträglich wurde. Die märchenhafte Architektur und die phantastisch bemalte Holzdecke konnten diese Beklemmung nicht wettmachen. Vielleicht war es auch nur das Alter. Ein Haus, fast tausend Jahre alt, das muß man sich erst mal auf der Zunge zergehen lassen. Doch war da noch etwas anderes, unfaßbares, was uns Angst machte. Doch hier in Aveyron war auch so ziemlich alles uralt, ohne einem gleich Furcht einzuflössen. Nicht die sakralen und nicht die profanen Bauten. Im G e genteil. Die gotischen Brücken etwa, die im hohen Bogen den zu dieser Jahre s zeit noch seichten, harmlosen Lot querten, fanden alle gar erhebend und insp i rierend. Brücken baute man hier auffallend weitläufig und stabil. Viele davon auch w e gen des regen Verkehrs auf dem Camino. Bei ihrem Anblick blieb mir immer fast der Atem stecken, und man fragte sich unwillkürlich, was nach tausend Ja h ren denn von unserer Epoche noch übrig bleiben mag. Wohl nicht der kitschige bronzene Schwammtaucher im Tauchanzug und Kugelhelm, der da im knieti e fen Wasser am Ufer steht. Der nicht und auch nicht die ganze auf brüchigen Pl a stikscheiben gespeicherte menschliche Kulturgeschichte. Angeblich würden, sollte es die pflegende menschliche Hand nicht mehr geben, auch die gigant i schen Megastädte in fünfhundert Jahren von der Natur völlig absorbiert werden. Vermutlich bleibt dann doch nur der Atommüll.
    Aber für trübe Gedanken war ich jetzt nicht sehr empfänglich. Wir marschierten durch eine unglaublich aufregende Gegend und kamen uns immer näher, was noch aufregender war. Die vielen Fotos, die wir unterwegs schossen, zeigten es deutlich. Wir waren ein glückliches Paar. Schon das zweite im Kameraspeicher. Aber wir verloren kein Wort darüber, taten, als ob nichts wäre. So kamen wir im Glück nach Estaing , das in einer Flußschleife liegt und größtenteils aus einer mächtigen Burg aus dem fünfzehnten Jahrhundert besteht. Die Stadt lebte von den Pilgern, und ihre noch immer sichtbare Größe ging mit dem Pilgerboom zu Ende. Auch hier steht eine großartige gotische Brücke aus rotem Stein.
    Fast ganz oben auf dem historischen Burghügel lag das Haus der Hospitalité Saint-Jacques , eine echt religiöse Pilgerherberge, in der wir unterkommen wol l ten. Als wir ankamen, war der Gottesdienst gerade zu Ende, doch für uns hat man die Hostie sozusagen aufgehoben und den Gottesdienst in verkürzter Form wiederholt. Man wollte den

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