Bis ans Ende der Welt (German Edition)
s sac nicht mehr zu beklagen. Ich genoß die Siesta auf der Veranda einer alten, jüngst zum Ferienhaus umgebauten Bauernkate mit Blick auf ein flaches Tal. Die Aussicht war eher bescheiden, ich ziehe Raum und Tiefe vor, aber das Haus hatte etwas. Durch das ehemalige Haustor, nun ein riesiges Glasfenster, war das aufwendige, phantasiereiche Interieur mit alten Möbeln, Kamin und allem daz u gehörigen Schnickschnack zu bewundern. Gitter und Zäune waren hier offenbar nicht nötig. Ich konnte mich nicht mehr erinnern, wann ich das letzte Mal einen Flic gesehen habe. Natürlich streiften die Büttel auch durch die entlegendsten Winkel, um das Volk abzuzocken und zu schikanieren. Getarnt als Freund und Helfer und einer, der ja nur seine Pflicht tut. Damit brachte sich die Obrigkeit in Erinnerung und versorgte sich gleichzeitig mit Spielgeld. In dieser Einöde aber war der Aufwand möglicherweise zu groß, und man erntete lieber die Autoba h nen und die Ballungsräume ab. Dort um so heftiger. Ich aber konnte mich unb e helligt als der momentane Besitzer dieses Kleinods in einem bequemen Plasti k sessel räkeln, während die braven Pilger, darunter auch die gepäcklose Fraue n gruppe, in keinen zwei Meter Entfernung verbissen vorbeizogen. Fix und fertig. Wo zog es denn alle hin in dieser Hitze? Wären sie nicht in einer klimatisierten Flugabfertigungshalle besser aufgehoben, um in die Sonne zu fliegen und dann all inklusive mit Schnaps versorgt auf die Rückkehr zum Arbeitsplatz zu wa r ten? Seltsame Ameisen!
Weiter unterwegs erfuhr ich, daß die Frauengruppe kein passendes Restaurant zum Mittagsessen fand, wieder den Weg verlor und arg durch die Hitze zu le i den hatte, aber ich konnte nicht darüber lange traurig sein, dann sogleich wurde meine Aufmerksamkeit von ein paar Australiern mit nicht weniger als drei Eseln in Beschlag genommen. Sie lungernden im heißen Dickicht, und ich wurde auf sie durch einen aggressiv summenden Schwarm schwarzer Fliegen aufmerksam, der die stinkenden Viecher belagerte. Da blieben sogar die Grillen stumm. Sollte ich mir vielleicht auch so einen Begleiter mieten? Überall hinten an den Zäunen verlockende Angebote. Am Ende hätte man das Tier sogar gratis abgeholt, damit es in Spanien nicht zur Salami verarbeitet wurde. Andere Vierbeiner als Esel, Pferde und Mulis wurden nicht angeboten. Hätte ich die Wahl, ich hätte mir e i nen großen, zottigen Schäferhund gewünscht. Der hätte zum Herrn und mir und dem krummen Hirtenstab gut gepaßt.
Völlig erschöpft erreichte ich Condom. Heute hatte ich echt genug von Hitze und Marschieren iHHH , und die Stadt kam mir wir ein Rettungsring dem Ertrinkenden vor. Sie ist auch sehr reizvoll. Sie geht auf eine keltische Siedlung der Spätant i ke zurück, doch die historische Bausubstanz kommt wie hier überall meist ü b lich aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Die gotische Kathedrale Saint-Pierre stammt gar aus dem 16. Jahrhundert. Ein großartiger Bau, innen wie außen, an dem ich vorbei mußte. Als ich eintrat, spielte gerade eine junge Frau auf der gut zwanzig Meter hohen Orgelbrücke Querflöte. Die mittelalterliche Melodie flog so leicht, so herrlich, so erhaben durch den Raum, daß ich wie erstarrt stehe n blieb, bis sie aufhörte und mich aus dem Bann entließ. Rasch und nüchtern pac k te sie dann ihr Instrument in einen Sack und ging. Die Musikerin übte nur, ahnte vielleicht gar nicht, welche Wirkung ihr Spiel hatte. Ich sah es als ein G e schenk des Herren an und blieb meditierend, bis der riesige Raum auf mich ei n zustürzen schien, schlenderte dann gutgelaunt durch die gepflegte Altstadt und machte Einkäufe. Man lebte von Touristen, das war nicht zu leugnen, obwohl es vorläufig nicht viele davon zu sehen gab, und die zahlreichen Kneipen und R e staurants meist leer standen. Es gab hier ein Musée de l’Armagnac und eine E x position du Préservatif . Condom wird mit dem gleichnamigen Verhütungsmittel assoziiert, obwohl es dazu vielleicht gar keine Sachgründe gibt. Der Name kön n te auch auf Oberst Dr. Condom, den Hofarzt von Charles II, zurückgehen. Aber wen kümmert es? Und um das Faß voll zu machen und kein Klischee au s zulassen, tauften die Stadtväter eine Straße zur Avenue des Mousquetaires . Sa u fen, Raufen und Sex passen freilich gut zusammen. Meine irdischen Vergn ü gungen in diesem Sündenfaß beschränkten sich auf eine kalte Dusche und ein selbstgekochtes Abendessen mit Fisch und Wein, beide köstlich und ergiebig.
Weitere Kostenlose Bücher