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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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betont disti n guiert. Es gab sogar einen Ober im Frack. Wo paßten wir da hin? Die Portionen mochten etwas kleiner sein, aber das Essen und der Wein waren nicht schlec h ter, als sie den anderen Gästen serviert wurden. Desgleichen auch das Ambiente und die aufmerksame Bedienung. Und niemand rümpfte die Nase über uns, drei abgewetzte Jakobspilger. Wir blieben, solange es der Anstand zuließ, dann trol l ten wir durch die Straßen, die immer noch glühend heiß von der Nachmittag s hitze waren. Im Süden hatte es angeblich seit fünf Monaten nicht mehr geregnet. Unbeschwert steckten wir unsere neugierige Nase überall hinein, was auch ein paar Privaträume mit einschloß, weil die Menschen hier an der Straße ihre Türen und Fenster einfach offen ließen. Dann aber, als wir es gerade in einer Bar lustig hielten, brachte das allgegenwärtige Fernsehen die Nachricht, zwei Passagie r flugzeuge seien auf dem Flughafen von Madrid zusammengestoßen und Hunde r te Urlauber ums Leben gekommen. Als Pilger lebt man irgendwie jenseits der Wirklichkeit. Man geht seinen Weg, meist mit Mühe und Not, beißt die Zähne zusammen, pflegt seine Wehwehchen, ißt, trinkt und schläft, erfährt kaum etwas von den Schlagzeilen, welche die Welt beschäftigen. Hier aber holte uns die Wirklichkeit plötzlich ein. Allen hat es die Sprache verschlagen, sogar den Säufern und den Automatenspielern. Die junge Spanierin trauerte doppelt - für die Opfer als solche, und weil es ein spanisches, ein nationales Unglück war. Ein feiner patriotischer Zug. So wie sie mir bei unserer ersten Begegnung erzählte, sie sei stolz auf ihr Land, und es täte ihr weh, mich darüber schimpfen zu hören. So sind wir traurig ins Bett gegangen, und das Pärchen gab am nächsten Tag das Pilgern auf. Wegen brennender Fußsohlen konnte er nicht mehr, und sie, auch ganz schön fertig, hätte ohne ihn nicht weitergehen wollen. Lieber wollten sie die restliche Zeit irgendwo in einem netten Hotel an der Küste verbringen. Den Camino aufzugeben wiegt oft schwerer, als ihn zu beginnen. Doch diesmal lag keine Traurigkeit darin. Eigentlich haben beide ihr Ziel schon hier und jetzt e r reicht - sie haben sich kennen- und liebengelernt.
Navarette , km 2232
    Diese eine Nacht in Viana war beileibe kein Honiglecken. Trotz der offenen Fenstern war die Luft in dem überfüllten Zimmer heiß und stickig. Gute dreißig Grad Celsius waren es bestimmt. Zu allem Überfluß gab es auch noch die Wa n zen. Die Blutsauger kriechen an den Füßen unter die Decke und beißen sich im Bauch und Rücken des ahnungslosen Schläfers fest. Nach der Mahlzeit beda n ken sie sich damit, daß sie ihre Exkremente in die Wunde reiben, was so zie m lich alles über ihren miesen Charakter sagt. Die Bisse schwellen dann bösartig auf, verheilen lange nicht, jucken und schmerzen. Manche Opfer reagieren gar mit einem allergischen Schock. Ein so großes Albergo mag trotz Billigstpreise zehn- bis zwanzigtausend Euro monatlich einnehmen und ist fünf, sechs und mehr Monate im Jahr gerammelt voll. Da sollte eigentlich genug Geld zusa m menkommen, um die Bude sauber und wanzenfrei zu halten. Bis dahin handelte ich mir schon vier Wanzenbisse ein. Einen in der Schweiz und zwei in Fran k reich. Deshalb schlief ich auch bei der größten Hitze in völlig verschlossenem Schlafsack. Und zwanzig Mann in einem kleinen Zimmer, dicht bis zur Decke geschichtet, produzieren jede Menge Hitze. Somit war dann diese Vorsicht s maßnahme geradezu eine Heldentat. Aber sie zahlte sich aus, und ich blieb u n versehrt, was die meisten anderen Mitschläfer von sich nicht behaupten konnten.
    Am Morgen strömten sie schimpfend und klagend aus dem Haus wie die Luft aus einem kaputten Reifen. Aber es war nicht das Grauen vor den giftigen Wa n zen, sondern die kleinliche Sorge um den nächsten Schlafplatz, die sie antrieb. Nur ich trödelte wie üblich, da ich in diesem Spermienlauf um den besten Platz nicht sehr gut bin. Ich kann für mich schon sorgen und mache meine Hausau f gaben, irgendwie, aber der Rest sei dem Herrn überlassen. Möge sich doch der Narr nach Bagdad beeilen, um dort den Tod zu treffen. Es dauerte also eine g e raume Weile, bis auch ich ohne Frühstück das mittlerweile leere Haus verließ und wieder die kühle Morgenluft atmete, da war ich erleichtert, ja fast gerührt, die miese Bude hinter mir zu lassen. Und dieses Gefühl begleitete mich noch lange. Vor dem Aufbruch mußte ich in dem Ankleideraum mit Schuhen und

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