Bis ans Ende der Welt (German Edition)
verlieh ihr ein gewisses Ambiente, die K ü che war ausnahmsweise gut sortiert, und die Pilger verteilten sich auf mehrere nicht allzu große Schlafräume. Aber das Haus war völlig überfüllt und die deu t schen Verwalter überfordert. Es war recht undeutsch schmutzig und in einem erbarmenswerten technischen Zustand. Elektrische Leitungen im Bad lagen zum Anfassen blank, und während ich duschte, entließ der launische Boiler das Gas unverbrannt in die Umgebung. Man dürfte zwischen Stromschlag und Gasexpl o sion wählen. Ich verließ mich dabei auf den Schutz des Herren, aber die eiskalte Dusche tat meiner Erkältung nicht gut, und ich murrte dementsprechend. Am Morgen floß zur Abwechslung nur kochendheißes Wasser. Ich murrte wieder.
León , km 2533
In der Nacht wurde ich fünfmal wach, fand in dem überfüllten Raum keinen Schlaf und keine Erholung, saß sogar eine Weile im Innenhof, bis um sechs Uhr, während es draußen noch völlig dunkel war, alle panisch zu packen anfingen, hastig frühstückten und aus dem Haus liefen, als ob die Pest oder die Rote A r mee in Anmarsch wären. Unterwegs jedoch sah ich nicht viele von ihnen, was daran liegen konnte, daß ich mit Junzo ausgiebig frühstückte und erst um acht Uhr, nachdem es hell geworden war, aufbrach. Da war die Herberge längst leer. Ich konnte dann mehr oder weniger allein entlang der vielbefahrenen Hauptstr a ße nach León marschieren und mich über den Verkehrskrach ärgern. Die Erkä l tung wollte nicht weichen, und ich machte mir Sorgen um den Fuß. In der Nacht träumte ich, ich müßte deshalb aufgeben. Es war nicht der erste Albtraum hier in Spanien. Ich mochte das Land immer weniger.
In dieser Stimmung überraschte mich dann eigentlich gar nicht zu sehr, daß oberhalb der Stadt plötzlich eine Autobahn im Weg stand. Heute gibt es an di e ser Stelle eine Fußgängerbrücke. Die aber existierte damals noch nicht. Der C a mino endete an der Autobahn, beziehungsweise verlief die Autobahn auf dem Jakobsweg. Und alle Pilger mußten hier durch. Die hohe Böschung auf beiden Seiten ließ nur den Weiterweg auf der Autobahn zu. Rechts aber hätte es keine Möglichkeit gegeben, die Autobahn, die dann im weiten Bogen um die Stadt führte, wieder zu verlassen. Man mußte irgendwie auf die linke Seite gelangen. Auch ich. Obwohl es völlig irre war, eine dichtbefahrene Autobahn zu Fuß zu queren. Wäre mein Glaube größer, hätte ich einfach darüber schlendern können. Hart wie der Kiesel, und immer im Schutz des Herren. Aber ich wollte es nicht an die Spitze treiben. Wegen der Verkehrsdichte schien es mir aussichtslos, die ganze Fahrbahn auf einmal zu passieren. So machte ich es wie die Katzen. Ich packte jeweils einen Fahrstreifen, blieb auf der Trennlinie ruhig stehen, ließ die heulenden Karossen vor und hinter mir sausen, wartete eine neue Lücke ab und packte dann den nächsten Streifen. Und so fort. Keiner der Autofahrer hupte w ü tend, wie ich es wohl getan hätte, vielleicht war man hier so etwas gewöhnt. D a für war ich ihnen dankbar, denn es hätte mich womöglich in der Konzentration gestört.
Natürlich ging der Weg auch auf der anderen Seiten nicht einfach weiter. Z u mindest wies nichts darauf hin. Alles, was es zu sehen gab, war eine fette, n a gelneue Autobahn, auf der ein Auto nach dem anderen den Berg hinunter raste. Doch war die Stadt im Tal gut sichtbar und eigentlich nicht zu verfehlen. Auf gut Glück erstieg ich einen Hügel auf dem sich ein fast fertiger Hauskomplex befand. Ich wollte den Marsch auf der Fahrbahn möglichst nicht fortsetzen. Nach zwanzig Minuten Plackerei durch die Baustelle stand ich hinter dem Hügel vor einem fünf Meter hohen Zaun. Unüberwindlich wie die Berliner Mauer. Nun wanderte ich an diesem Zaun entlang zurück zur Autobahn, wo ich eine etwa zwanzig Meter hohe Steinwand hinunter auf die Fahrbahn klettern konnte. Ich bin gut im Klettern und beklagte mich nicht. Es konnte nichts Schlimmeres pa s sieren, als daß ich einem Auto aufs Dach knalle. Aber ich kam gut an. Dann ging ich auf dem Fahrstreifen so lange weiter, bis ich eine Möglichkeit fand, dieser Hölle zu entkommen.
In jeder Hinsicht erschöpft ließ ich mich auf einer niedrigen Mauer vor der Au f fahrt zu einem großen Gebäude nieder. Hier wollte ich mich von den erlebten Schrecken erholen. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wußte, und was mich, ehrlich gesagt, auch nicht interessierte, war die Tatsache, daß dies der Eingang zum
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