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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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mehr passieren wird. Nicht an diesem Tag, nicht an dem nächsten. Es roch leise nach Jauche.
Bregenz, km 412
    Das war nicht immer so. Einst roch die Luft hier noch frisch und süß nach Ki e fern und nasser Erde, und überall wuchs der Flachs. Abends tummelten sich auf dem Feld nur Füchse und Eulen, der Bauer saß am Kaminfeuer, spann Garn und sang Volkslieder. Vermutlich schalt er dabei auch die Politik und böse Nac h barn, aber das nur so nebenbei. Im wesentlichen hatte er sein Auskommen, war dem Herrn dankbar und stellte überall Kapellen und Kreuze auf. Dann aber m o bilisierte Amerika seine Sklaven und machte die Allgäuer mit billiger Baumwo l le fix und fertig. Da ist ihnen vor lauter Globalisierung Singen und Spinnen ve r gangen. Gott, hast denn du uns verworfen? Du ziehst ja nicht aus, o Gott, mit unseren Heeren. [10] So mögen sie gejammert haben. Aber der Herr erinnerte sich der vielen Kapellen, der Prozessionen und anderer guten Taten und schickte A b hilfe. Die Abhilfe hieß Carl Hirnbein. Man kennt die Geschichte aus dem Alten Testament. Ein Mann wird jung und kräftig ins Ausland vermittelt, macht sich dort kundig, und wenn zu Hause die Not am schlimmsten ist, eilt er selbstlos zu Hilfe, wird dabei auch noch reich und berühmt. Vor Ort wird Hirnbein deshalb auch „Notwender“, „Zwingherr“ und „Alpkönig“ genannt. Denn er schaute den Schweizern das Käsen ab, und mit dem Käse wurden die Allgäuer wieder wer. Nur daß es seitdem da überall nach Kuhscheiße riecht. Freilich gibt es auch in Altbayern Bauern und Kühe, das soll nicht bestritten werden. Doch das sind im Vergleich mit den Allgäuern nur Amateure. Die Allgäuer sind ungeheuer rege und fleißig. Von früh bis tief in die Nacht reiten sie in vollklimatisierten Mo n sterschleppern über die Wiesen und gießen Gülle aus. Alle Ställe sind prall voll mit Rindvieh, und an Jauche fehlt es nie. Kaum läßt die Erde etwas Graß hervo r sprießen, schon wird es gemäht und eingefahren, um später von riesigen Ventilatoren trocken geblasen zu werden. Keine Zeit, das Zeug herumliegen zu la s sen. Das Tosen der Maschinen, laut, klar und allerorten, zeugt davon, daß Mann, Tier und Gerät ihr Bestes geben. Hier überläßt man nichts dem Zufall, nicht mal die Sonne. Und das ist clever gedacht, da es in Allgäu sowieso die meiste Zeit regnet. Wie ich bestätigen kann.
    So zog ich zwischen den jauchenden Weiden dahin, jederzeit bereit, mich in den Stacheldraht zu drücken, wenn wieder so ein Gülletransporter vorbeifuhr. Ich merkte wohl, wie das Ding schwappend und schmatzend auf dicken Rädern fr i vol auf und nieder hüpfte und sich auch elegant in die Kurve legte. Es hatte g e rade aufgehört zu regnen, und es herrschte ein reges Kommen und Gehen. Aus der Belehrung der Frau Butz wußte ich, daß es die beste Zeit zum Odeln war. Auch waren die Fahrzeuge optimal auf die asphaltierte Wegbreite abgestimmt. Und die Zäune standen so eng am Feldweg, daß rechts und links kein Zentimeter mehr übrig blieb. Auch nicht für einen relativ schlanken Pilger. Willig drückte ich deshalb den Rücken in die Stachel, sonst hieße es am nächsten Tag in der Allgäuer Post: „Tragischer Schluß. Pilger vom Güllefaß erlegt.“ Doch von den Odelduftwolken benebelt, nahm ich es luftig. Noch an diesem Tag sollte ich die grüne Grenze nach Österreich überschreiten. Im Weg stand nur noch Scheidegg. Einst gehörte es dem Kloster Sankt Gallen, dann zum österreichischen Vorar l berg, bis es Napoleon den Bayern überließ. Im 18. Jahrhundert war man als Strohhutexporteur europaweit bekannt. Heute nennt man sich „Heilklimatischer Kurort“ und „Premium-Class und Kneipenkurort“. Mehr geht fast nicht. Mehr wäre wohl nur der Hinweis auf das EK I mit Eichenlaub und Schwerter für die Verdienste ums Vaterland. Aber das wäre momentan zu heikel. Dementspr e chend ernst war die Lage in Scheidegg. Nicht nur, daß hier die irre Betriebsa m keit der Allgäuer Bauern noch um den fieberhaften Bau zahlreicher Herzklin i ken und mindestens zweier Freizeitparks ins Unendliche eskalierte. Auch etliche Polizeiwagen der gehobenen Audiklasse schlichen leise und garantiert unauffä l lig auf den Wegen. Seit München waren es hier die ersten Büttel, und ich war mir nicht einmal sicher, ob ich in München welche gesehen hätte. Es war i m merhin wahrscheinlich. Denn das Böse ist immer und überall. Hinter den getö n ten Scheiben kaum sichtbar besahen die Beamten alles und

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