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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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mir. Das Portemonnaie wiegend besann ich mich s o fort auf die Tugenden meiner Jugend und beschloß weiterzugehen, um später i r gendwo am See oder im Wald bei wilden Tieren zu lagern. Einen geeigneten sauberen Platz werde man schon finden, dachte ich, früher oder später. Unter den volkstümlichen Klängen einer Hochzeitkapelle marschierte ich durch eine herrliche Parklandschaft den gepflegten Uferweg entlang. Die Hochzeiter in Frack und Abendkleid reihten sich zu einem Gruppenbild auf. Haute couture und Champagner vor einer historischen Kulisse – wie in Andechs. Alles sehr harmonisch und verträumt. Es muß ein Sonn- oder Feiertag gewesen sein, übe r all flanierten Menschen in feierlicher Stimmung. Stück weiter wechselte das Bild schon. Hier baute man eine riesige Wasserbühne für ein Konzert auf. Davor soffen an einem Kiosk Jungendliche zu gräßlicher Punkmusik. Hier war der Thunersee zu Ende, und hier am Ufer zu schlafen, ging nicht. Es blieb nur noch der Wald. Zum Abschied nahm ich ein Bad. Wenigstens mußte ich später nicht verschwitzt und staubig schlafen. Aber es war noch immer Thun oder besser g e sagt seine Vorstadt, die sich scheinbar endlos in alle Richtungen erstreckte. Vi e le Autos flitzten herum, es herrschte Geschäftlichkeit. Nach einem schönen fre i en Tag kehrten die Menschen zurück nach Hause zum Essen und Fernsehen. Plötzlich hatten sie es eilig. Und keiner wußte den Weg, den ich bald verloren habe. „Camino? Jakobsweg? Was ist das? Das gibt es hier nicht. Haben Sie ke i ne Karte?“ Bei Sonnenuntergang nach langem Fußmarsch ist eine ausufernde Vorstadt sehr gut geeignet, um sich obdachlos wie ein Penner zu fühlen. Aber warum war ich so kleinmütig, hat der Herr nicht immer auf mich geschaut und mir das Nötige gegeben? Habe ich das nicht immer wieder erfahren? Schon bald kam ich mit einem netten Ehepaar ins Gespräch, das mich zu sich nach Hause einlud. „Aber erst müssen wir zu einer Party, da können Sie gleich mitko m men,“ schränkten sie ein. Die Party war in einem Behindertenheim, für das diese Leute Geld gesammelt haben. Und den Jugendlichen dort war ein waschechter Jakobspilger gute Abwechslung. Ich aber war gerade so schön durstig und hun g rig und auch irgendwie einsam, und mit einem Schlag wurde ich alle kleinlichen Sorgen los. Ja, sogar die Schuhe hörten auf zu drücken, was selten war, und ich war frisch und gebadet, so mußte man über mich nicht die Nase rümpfen, es sei den wegen meiner zweifelhafter Herkunft, aber das war den Schweizern, gesund und behindert, wirklich „Wurscht“. Im HHHH Hause der freundlichen Leute bekam ich später das verwaiste Kinderzimmer, alle Fürsorge, gutes Gespräch und als b e sondere Zugabe das Fußballspiel Türkei-Kroatien zu sehen. Wieder gewannen die verflixten Türken nach Verlängerung. Ein Kommentator witzelte treffend, vor den Türken sei man erst sicher, wenn ihr Bus schon weggefahren ist. Ich fragte mich ernsthaft, warum ich mir mitten auf dem Camino alle Türkenspiele ansehen mußte, wenn ich mich für Fußball absolut nicht interessiere. Das hatte gute Gründe. Als ganz kleinen Jungen nahm mich mein Vater einmal zum Fu ß ball, und während er seinem Vergnügen frönte, trieb ich mich herum, und kam über ein paar Zigeuner, heute vornehm Roma genannt, damals aber noch schlicht Zigeuner, die viele waren und daher mutig mit Steinen nach mir schmissen. Einen dieser faustgroßen Steine bekam ich mitten auf die Stirn, und das hat mich für alle Zeiten vom Fußball abgebracht. Heute liefern sich die Fans regelrechte Schlachten, und viele werden ernsthaft verletzt oder gar totgeschl a gen, ich aber wurde rechtzeitig gewarnt. Sollte ich nun alles über Bord werfen und dem Fußballfieber erlegen? Der Herr schwieg hierzu, bis ich einschlief. Aber am nächsten Morgen gab es ein großartiges Frühstück auf der Dachterrasse vor dem blendenden Gletscherpanorama des Alpenhauptkamms - wie aus der Postkarte geschnitten. Es war so schön, so kostbar, so einmalig, ich hatte es gar nicht eilig zu gehen. Und ich hatte alle Türken, Zigeuner und Fußballfans schon völlig vergessen.
Lausanne , km 835
    Nach so einer guten Rast, marschierte ich fröhlich bei gutem Wetter durch eine niedliche Moränenlandschaft mit gelegentlicher Aussicht auf die Gletscher. Auf und nieder ging es, nie zu sehr anstrengend. Alte Kulturlandschaft mit sauberen Dörfern und weißen Kirchen zwischen Feldern und kleinen Hainen. Schon im achten Jahrhundert

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