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Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Bis ans Ende der Welt (German Edition)

Titel: Bis ans Ende der Welt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vladimir Ulrich
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seltenen Luxus maximal in die Länge, und gingen erst, als es längst dunkel wurde. Wieder auf der Straße waren wir uns dann sofort einig, daß ein um die Kirche gelegener Friedhof ein guter Nachtplatz sein müßte. Zentrale Lage, fließendes Wasser, ruhige Nachbarn. Am oberen Ende stand am Hang eine alte Pfarre, die jetzt nur als Büro diente, die zwei Bänke neben dem Eingang und kleines Grün davor schienen mir sehr pa s send. Christoph aber währte die Privatsphäre und verschwand irgendwo hinter den Gräbern. Mit seiner praktischen Schaumstoffmatratze konnte er wählerisch sein. Ich dagegen hatte nur einen dünnen Schlafsack, ich brauchte eine Bank. Der Vollmond strahlte wie eine Laterne, mein Nachtlager war gleich bereitet, und ich kroch hinein. Doch es fehlte was – ein Bad. Ein Bad, eine Dusche hätte ich sehr nötig gehabt, der Tag war heiß, die Wege staubig. Es juckte und kratzte. Da fiel mir ein altes Taufgefäß ein, der neben der Kirche stand, damit die Frie d hofbesucher ihre Kannen voll machen konnten. Das Ding war gewaltig, eine fl a che steinerne Muschel, breit und tief, mit einem Wasserhahn darüber. Kurzen t schlossen ging ich hin, zog mich aus und stieg ein. Der Hintern rutschte zwar etwas auf den Algen, und die Füße hingen über den Rand, aber sonst... Gut ba r biert, den Geschmack von Pizza und Cola noch auf dem Gaumen, lag ich wie eine Riesenschildkröte im Rückenpanzer, schaute dem Mond zu und dachte an den schönen Tag, die grünen Hügel unter dem blauen Himmel, den Sand unter den Sohlen, den Herrn, der in der Kirche arm und elend am Kreuze hing.
    Ich mußte wieder an den Psalm Davids denken: Er läßt mich lagern auf grünen Auen und führt mich zum Ruheplatz am Wasser. Er stillt mein Verlangen. [22] Wie wörtlich erfüllte sich das Wort. Einmal vor vielen Jahren in den USA strandete ich durch ein Mißgeschick ohne Gepäck bei einem frommen Farmer. Die Fam i lie feierte den Sonntag mit Grill und Barbecue, und wir zwei schossen hinter dem Trailer mit diversen Militärgewehren auf ein mit Kalk aufgeschüttetes Zie l kreuz auf der anderen Talseite und sprachen über den Glauben. Der Mann mac h te sich Sorgen, daß die Menschen in Europa vom Glauben abfallen. Er richte sich immer nach der Schrift, schlage einfach eine Seite auf, und siehe, dort stehe die Lösung. Das kam mir sehr, sehr eigenartig vor. „Und was, wenn eine Kuh krank ist,“ fragte ich in der Hoffnung, eine eindeutig nicht biblisch zu lösende Lage anzusprechen, „lesen Sie dann auch in der Bibel nach dem Rat?“ Der Mann gab seinen Schuß, aus dem Kreuz drüben stieg eine kleine weiße Stau b wolke auf. Er setzte das Gewehr ab, dachte nach und sagte: „Korrekt. Eigentlich funktioniert es immer.“
    Die Nachtigall schlug an, dann der Kuckuck, dann wieder die Nachtigall, schließlich die Kirchenuhr. Ich trocknete mich ab und ging schlafen. In der Nacht aber wachte ich noch zweimal auf, sah über den schwarzsilbernen Gotte s acker, hörte die Blätter rascheln und schrieb alles ins Gedächtnis ein – für and e re, nicht do behagliche Tage, die vielleicht kommen mögen. Früh am Morgen, die Sonne stand gerade auf und blickte unsicher über die Friedhofsmauer, und auch wir waren schon wach und frühstückten Brot, Käse und Wasser, kam ein älterer Herr vorbei und fragte freundlich, ob wir denn gut geschlafen hätten. Wir bejahten, was ihn merklich glücklicher machte. „Das ist schön, hier ist es ruhig,“ strahlte er und ging. Nichts entgeht dem wachsamen Auge des Eidgenossen.
    Kaum eine Stunde später standen wir schon vor Freiburg. Eine historische Steinbrücke führte über den tief darunter liegenden Fluß Saane, der sich hier in einem dramatischen Bogen eng um die mächtige Wehrmauer windet. Ihr gege n über, hoch oben am felsigen Schluchtrand, pulsierte das krönende Grün alter Bäume, darüber stand ein klarer hellblauer Himmel wie ein Ausruferzeichen. Ein Teil des gewaltigen Panoramas lag noch im tiefen Schatten, Details waren aus der Ferne kaum zu erkennen. Kein Mensch war sonst da, kein Fahrzeug, kein Hinweis auf die moderne Zeit. Wir waren die einzigen Zeugen. Ein Jakob s jünger fünfhundert Jahre zuvor sah vermutlich dasselbe Bild. Wir staunten a n gemessen und zogen dann voller Erwartung durch das mächtige Stadttor und auf dem uralten Pflaster hoch und höher durch die steile Gasse wie wohl schon u n zählige Pilger vor uns. Hier glaubte ich schon den Süden zu spüren, die Sonne lachte wieder, man

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