Bis ans Ende der Welt - Oskar und Mathilda ; 2
Kopf und dann fing sie an zu lachen. »Nein, mein Kind, das sind sie ganz bestimmt nicht.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein?«, erwiderte Mathilda. »Ich meine, Papa hat eine große Firma. Er hat jede Menge Geld und …«
»Weil es keinen Sinn machen würde«, fiel ihr Barbara von Dommel abermals ins Wort. »Glaub mir, deinem Vater passiert nichts. Und solange der kleine Oskar bei ihm ist, wird
ihm
auch nichts geschehen.«
»Ich weiß«, brummte Mathilda. »Ihr habt ihn ja sowieso nur mitgenommen, damit ich Gesellschaft habe und euch nicht auf die Nerven gehe.«
Wieder schüttelte ihre Mutter den Kopf. »Was du immer so redest.«
»Wieso? Ich hab doch recht«, murmelte Mathilda.
Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, wie ihr Vater und Oskar das Restaurant verließen und auf sie zukamen, und so entriegelte sie rasch die Türen und flüchtete dann zwischen den Sitzen hindurch nach hinten.
Ronald von Dommel hatte für jeden ein mit Salat, Tomaten, Käse und Schinken belegtes Baguette gekauft, dazu Orangensaft für Oskar und Mathilda und jeweils einen großen Becher Kaffee für sich und seine Frau.
»Ich bin froh, wenn wir wieder zu Hause sind und unser Porzellan benutzen können«, sagte Mathildas Mutter, nachdem sie ihre feine dunkle Bluse mit Sandwichcreme bekleckert und gleich danach noch versehentlich die Trinktülle von ihrem Kaffeebecher abgebissen hatte.
»Das hier ist doch nur etwas für Unzivilisierte. Ich habe kaum Kleidung zum Wechseln mitgenommen«, jammerte sie weiter, während sie hektisch an ihrer Bluse herumrieb.
»Gleich morgen fahren wir nach Genua und kaufen was zum Anziehen.«
»Jetzt lass uns doch erst einmal ankommen«, entgegnete Ronald von Dommel. Er schob sich den letzten Bissen seines Baguettes in den Mund, knüllte die Papiertüte zusammen und legte sie seiner empörten Frau in den Schoß.
Ohne ihrem Geschimpfe Beachtung zu schenken, startete er den Motor und setzte den Wagen zurück.
»In achthundert Metern links fahren. A fünf«, sagte die Dame im Bordcomputer.
Frau von Dommel warf ihrem Mann einen zornigen Blick zu.
»Sie würde ihr am liebsten das Maul stopfen, wetten?«, raunte Mathilda Oskar zu. »Sie hält sie für unseren Feind. Es würde mich nicht wundern, wenn sie dem Navigationsgerät die Schuld daran gibt, dass sie sich mit Mayo vollgeschmiert hat.« Sie tippte sich an die Stirn. »Ich fürchte, meine Mutter leidet unter Verfolgungswahn.«
»Glaub ich nicht«, sagte Oskar, während er die Hälfte seines Baguettes in die Tüte zurückschob und sorgfältig darin einschlug. »Ich glaube eher, dass sie eifersüchtig ist.«
»Was?«, zischte Mathilda. »Auf eine Maschine?«
Oskar zuckte mit den Schultern. »Wieso nicht?«, flüsterte er. »Kann doch sein, dass dein Vater mehr Zeit mit diesem Ding verbringt als mit deiner Mutter. Und auf die Maschine hört er, auf deine Mutter vielleicht nicht.«
»Jaaa … aber …?« Mathilda hielt diesen Gedanken für völlig abwegig, andererseits wusste sie aber auch nicht, was sie dagegen einwenden sollte. Irgendwie hatte Oskar ja recht. Und das Wahnwitzigste überhaupt war, dass ihr all die Jahre noch nie in den Sinn gekommen war, dass ihre Mutter womöglich genauso unter der ständigen Abwesenheit ihres Vaters litt wie sie selbst.
»Oskar Habermick«, murmelte Mathilda voller Ehrfurcht. »Du bist eine echte Granate.«
Oskar spürte, wie ihm augenblicklich die Röte in die Wangen schoss.
Im selben Moment machte Ronald von Dommel eine Vollbremsung. Er hatte die Autobahnauffahrt schon fast erreicht und blieb nun mitten auf der Fahrbahn stehen.
»Wo ist meine Brieftasche?«, stieß er hervor.
»Woher soll ich das wissen?«, erwiderte seine Frau, die noch immer mit dem Mayonnaisenfleck auf ihrer Bluse beschäftigt war. »
Du
hast eingekauft«, betonte sie.
»Eben«, sagte Herr von Dommel.
»In hundertfünfzig Metern bitte links fahren. A fünf«, bemerkte die Dame im Bordcomputer.
Hinter ihnen startete ein Hupkonzert.
Oskar und Mathilda wandten sich um, konnten vor lauter Klopapier jedoch nichts sehen.
»Vielleicht hast du sie an der Kasse liegen lassen«, sagte Barbara von Dommel.
»So oder so … Ich kann nur hoffen, dass jemand sie gefunden hat«, entgegnete ihr Mann. »Und zwar jemand, der rechtschaffen ist.«
Mathildas Mutter ließ von ihrem Fleck ab. Entsetzen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Was soll das heißen?«, hauchte sie.
»Dass sonst alles futsch ist«, antwortete Mathilda anstelle ihres Vaters,
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