Bis ans Ende der Welt - Oskar und Mathilda ; 2
habe ich«, erwiderte Herr von Dommel. »Daheim in der Garage.«
»Na, da steht er gut«, brummte Mathilda und suchte nun eine Deutschlandkarte aus der Sammlung. Sie faltete sie auseinander und breitete sie über ihren und Oskars Oberschenkeln aus.
»Auf dem Schild eben stand Mörfelden«, sagte er leise.
Mathilda nickte. »Das muss irgendwo hier sein«, wisperte sie und ließ ihren Finger um Frankfurt kreisen.
»Da!«, zischte Oskar. »Da ist die A fünf.«
»Okay«, sagte Mathilda. »Die nächste Tankstelle kommt in ungefähr sechs Kilometern.«
»Bist du sicher?«, fragte ihr Vater.
»Na klar!«, rief Oskar und deutete nach draußen. »Sehen Sie nur: Da vorn ist ein riesiges Schild mit schwarzen Symbolen drauf! Eine Tanksäule, Essbesteck … und WC«, zählte er auf. Plötzlich fühlte sich seine Blase an wie eine prall gefüllte Wasserbombe.
Ronald von Dommel atmete hörbar auf und seine Frau gab ein leises Schnarchen von sich.
»Ist Mama eingeschlafen?«, fragte Mathilda.
»Ja, das ist sie. Aber sie war ja auch die ganze Nacht über wach«, sagte ihr Vater und gähnte herzhaft.
Mathilda fixierte besorgt seinen Hinterkopf. Hoffentlich schlief er nicht auch noch ein!
Nach einem Überholmanöver setzte Ronald von Dommel auf die rechte Spur über, klemmte sich hinter einen rostigen alten Käfer und verlor allmählich an Geschwindigkeit. Schon bald zeigte die Tachonadel nur noch knapp siebzig Stundenkilometer an. Mathilda rutschte nach vorn und legte zögernd ihre Hände auf die Schultern ihres Vaters.
»Papa?«
»Mhmmm?«
»Alles in Ordnung?«
»Natürlich«, erwiderte er schlapp. »Was soll denn nicht in Ordnung sein?«
»Du fährst so langsam«, sagte Mathilda und fing an, seinen Nacken und die Schultermuskeln zu massieren.
»Ahhh«, seufzte Ronald von Dommel und lehnte sich gegen die Kopfstütze. »Das tut gut.«
Die Tachonadel sank weiter und näherte sich der Sechzig. Links zog ein dicker LKW an ihnen vorbei und hinter ihnen hupte es.
»Papa?«, sagte Mathilda.
»Ja?«
»Darf man auf einer Autobahn so langsam fahren?«
»Darf man bestimmt nicht«, sagte Oskar, nachdem der Tacho jetzt nur noch fünfzig Stundenkilometer anzeigte und das Hupkonzert hinter ihnen immer lauter wurde.
Ronald von Dommels Kopf neigte sich zur Seite. »Was hast du gesagt, mein Engelchen?«
»Papaaa!«, rief Mathilda erschrocken. »Pass auf!«
Mit einem Ruck sauste der Kopf ihres Vaters wieder hoch.
»W-wo sind wir?«, murmelte er.
»Papa, wir sind auf der Autobahn!«, schimpfte Mathilda. »Du sitzt hinter dem Steuer und du bist eingeschlafen!«
»Um Himmels willen!«
Ihr Vater richtete sich kerzengerade auf, schüttelte sich und trat das Gaspedal durch, sodass der Mercedes blitzschnell wieder auf hundertzwanzig Stundenkilometer kam.
Sie überholten den rostigen Käfer und eine Kolonne LKWs und dann tauchte zum Glück die Tankstelle vor ihnen auf.
Ronald von Dommel verließ die Autobahn, steuerte die mittlere Säule an, stellte den Motor aus, zog den Schlüssel ab und stieg aus dem Wagen.
Mathildas Mutter schnarchte nun laut und abgehackt.
»Wir müssen unbedingt eine Pause machen«, sagte Oskar.
Mathilda nickte und schaute ihrem Vater hinterher. Ohne Frage brauchte er eine Tasse Kaffee. Und ein paar gymnastische Übungen an der frischen Morgenluft würden ganz sicher auch nicht schaden.
Sie warf einen Blick auf ihre schnarchende Mutter. Einen Moment lang war Mathilda geneigt, sie zu zwicken. Wenn Barbara von Dommel aus dem Tiefschlaf hochschreckte und Mathilda sie blitzschnell fragte, wovor sie gerade auf derFlucht waren, würde sie vor lauter Schreck vielleicht mit der Wahrheit herausplatzen.
»Sie macht einen ganz schönen Rabatz«, sagte Oskar.
»Sie ist so peinlich«, flüsterte Mathilda und deutete auf den nunmehr schwarzen Bildschirm des Bordcomputers. »Ich hätte nie gedacht, dass sie sich so wenig mit moderner Technik auskennt … und dass sie nicht mal eine Straßenkarte lesen kann.«
»Das ist doch nur, weil sie bisher nichts damit zu tun hatte«, sagte Oskar sanft. »Ich meine, deine Mutter ist bestimmt nicht dumm oder so. Sie interessiert sich bloß für ganz andere Dinge als du.«
Mathilda zuckte mit den Schultern. Sie kannte ihre Mutter überhaupt nicht richtig und das war ein schreckliches Gefühl.
»Als ich klein war, hatte ich ein Kindermädchen«, murmelte sie. »Sie hat mich gebadet und gefüttert, mit mir gespielt und gebastelt und am Abend hat sie mir vorgelesen. Und ich
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