Bis ans Ende der Welt
Paddington Market auf Miriams Programm. Dreimal hatte sie eine Latzhose mit Aborigine-Patchwork an- und ausgezogen, sie konnte sich nicht entschließen.
»Wie sieht mein Hintern aus? Dick? Platt?«
»Nein.«
»Was - nicht dick oder nicht platt?«
»Zum Reinbeißen.«
Das war Ralf so rausgerutscht, wollte er eigentlich nur denken.
Sie kicherte. »Na dann.«
Als sie bezahlt hatte, fragte Miriam: »Und jetzt, ein Museum?«
»Können wir nicht mal ins Kino gehen?« Ralf wollte nicht mehr herumlaufen. Außerdem hatte er Hunger - mit einer Tüte Pommes frites im Kino, das wär’s jetzt.
»Klar können wir. Die meisten Kinos sind in der Nähe der U-Bahn-Station Town Hall.«
Sich auf einen Film zu einigen, war beinahe unmöglich: Ralf wollte Action-, Miriam Liebesfilme. Sie waren kurz davor, in zwei verschiedene Filme zu gehen, als Miriam einen witzigen Liebesfilm vorschlug.
»Gefällt dir bestimmt.«
»Und wenn nicht?«
»Dann lasse ich mich tätowieren, okay?«
Ralf nahm sich während der Vorstellung höllisch zusammen: Wenn er nicht lachte, konnte er vielleicht den Tag als Diener loswerden. Leider war der Film nicht schlecht.
»Jetzt ist ein Tattoo fällig«, sagte Ralf am Ausgang. »Ich weiß nicht, was an dem Film lustig gewesen sein soll.«
»Ehrlich?«
»Ich bin aber kein Unmensch. Du kannst dich von der Tätowierung freikaufen, indem du mir den Tag als Diener erlässt.«
»Nö. Du bleibst Diener und ich lasse mich tätowieren. Wir können gleich hinfahren.«
Ein Bluff. Sie würde sich doch nicht tätowieren lassen? Er traute ihr inzwischen einiges zu - aber das nicht.
An den Wänden des Tattoo-Ladens in der Roscoe Street hingen Plakate mit ziemlich affigen Motiven: monströse Giftschlangen, knapp bekleidete Frauen mit Riesenbusen und Schwertern in der Hand, springende Delfine. Der Tattoo-Designer war keine zwanzig, mit einem Modebärtchen und - wie enttäuschend - nur einer einzigen sichtbaren Tätowierung. Er fragte, ob Miriam tätowiert oder gepierct werden wolle. Ralf ging nach draußen.
Bei jedem Mann um die vierzig, der die Roscoe Street Richtung Davids Haus lief, fragte er sich: Ist er das? Herausragendes Merkmal war die Gier nach jungen Frauen im Blick. Nach einer Viertelstunde hatte Ralf vier mögliche Davids ausgemacht, wobei - wenn er ehrlich war - seine Fantasie nachgeholfen hatte, was den Mädchenblick betraf. Der Letzte erschien aber ziemlich plausibel: Die Brille mit dicken Gläsern passte zu den Büchern.
Als sie rauskam, sah Miriam unverändert aus. Nur ihre große freche Nase trug sie eine Spur höher. Und so eine Stadtzeitung hatte sie mitgenommen.
»Die hat ein Superhoroskop. Soll ich dir Stier vorlesen?«
»Wo ist die Tätowierung?«
»Bekommst du noch früh genug zu sehen.«
»Und was hast du dir ausgesucht?«
»Nichts. Ich habe ihm was aufgemalt, er hat’s ein paarmal geübt, bis es mir gefallen hat, und dann hat er’s gemacht.«
»Ja - was denn?«
»Einen Platypus.«
»Was?«
»Ein Schnabeltier. Du weißt schon - das grinsen kann. Komm, wir gehen zu David und kochen was. Tätowiert werden macht hungrig.«
Ralf fragte sich, wo das Schnabeltier sein könnte, zu sehen war es nicht. Hatte sie ihr T-Shirt ausziehen müssen - oder ihre Hose?
Als Miriam die Tür aufsperrte, drang aus der Wohnung Musik. Ralf ahnte nichts Gutes, und tatsächlich kam ihnen gleich ein Mann entgegen: Er war groß und ein bisschen mager, mit klugen Augen hinter einer randlosen Brille. Mit einer Brille hatte Ralf ja gerechnet, aber ansonsten erfüllte David die Erwartungen kaum: Er trug Shorts und ein Poloshirt und sah eigentlich ganz normal aus.
Miriam fiel ihm um den Hals, Ralf sah misstrauisch zu. Ungehöriges war nicht zu entdecken: David löste sich sofort aus Miriams Umklammerung, nur ein flüchtiger Kuss auf die Wange, dann streckte er Ralf schon die Rechte entgegen und sagte: »Hallo, ich bin David Limb. Freut mich, dich kennen zu lernen.«
Ralf schüttelte die Hand und stellte sich ebenfalls vor, Miriam erklärte, wer er war und wie sie hergekommen waren.
Schließlich fragte sie David: »Wo warst du?«
»Unterwegs. Ich hatte sehr viel zu tun.«
»Aber zurückrufen hättest du können, oder?«
»Ich bin erst vor zwei Stunden angekommen und habe den Anrufbeantworter abgehört. Da habe ich auch eure Rucksäcke gesehen.«
»Mrs Mulgrin hat uns den Schlüssel gegeben.«
»Das ist okay. Ihr könnt gern bei mir wohnen, nur...«
Er sah zur Wand wie ein TV-Moderator, der die
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