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Bis ans Ende der Welt

Titel: Bis ans Ende der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joerg Riehl
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bunt, aber die wenigen Gäste, die sich in dem großen Raum verloren, schienen keinen Spaß zu haben. Die meisten waren allein gekommen und enttäuscht, dass noch nichts los war. Ein blasses Mädchen hielt sich an seinem Glas fest und starrte in die Lichtorgel, minutenlang.
    Ralf wäre am liebsten gegangen. Er wusste, er würde den ganzen Abend zum Eingang sehen und den Moment fürchten, in dem Kristine durch die Tür käme. Aber er konnte nicht weg: Eine Umkehr würde wie Flucht aussehen, vor Kristine wie vor seinem Gewissen.
    Die junge Frau starrte immer noch ausdruckslos ins Licht. Ralf fühlte ihre Einsamkeit - nirgendwo war es schlimmer als an einem Platz, an dem alle anderen in Gesellschaft waren. Er rückte näher an Miriam heran. Ihre Wärme war so schön beruhigend. Sie würde wissen, was tun, wenn Kristine durch die Tür käme. Hoffentlich.
    Miriam nahm einen tiefen Schluck aus dem mit Orange und Ananas verzierten Glas und fragte: »Bist du immer noch verliebt in Kristine?«
    Ralf nickte.
    »Und was ist mit mir?«
    »In dich auch.«
    Sie lachte. »Immerhin. Aber sie wird die Mutter deiner sieben Kinder, das hat sich nicht geändert, oder?«
    »Na ja, vielleicht - ich weiß nicht.«
    Auch Miriam starrte jetzt in die springenden Lichter. Nach einer Weile fragte sie: »Kannst du dir mich als Mutter vorstellen?«
    »Sicher...«
    »Ich wäre beinahe mal eine geworden.«
    »Was?«
    »Ich war schwanger. Mit sechzehn.«
    »Was? Warum - ich meine, was ist passiert?«
    »Ich hab’s nach ein paar Wochen verloren.«
    »Oh, das tut mir Leid.«
    »Das Kind wäre jetzt dreieinhalb. Es bräuchte keine Windeln mehr und könnte laufen und sprechen. Komisch, nicht?«
    »Was ist aus dem Vater geworden?«
    »Weiß ich nicht. Er war 20, so alt wie du jetzt. Damals hielt ich ihn für unglaublich erwachsen und selbstständig.« Sie grinste. »Aber er war mehr wie du. Er sah dir sogar ein bisschen ähnlich.«
    »Dann muss er ja ziemlich gut ausgesehen haben«, sagte Ralf und grinste auch.
    Sie lächelte schief. »Hat er wirklich. Große grüne Augen, und wenn er lachte, hat er ganz süße Grübchen bekommen.«
    Ralf wusste nicht, ob er auch Grübchen bekam. Er nahm sich vor, das vor dem Spiegel zu untersuchen.
    »Warum habt ihr euch getrennt?«
    »Das ist eine lange Geschichte. Erzähl ich dir später mal, okay?«

    Als sich die Diskothek langsam füllte, wurde der elektrische Bulle auf die Tanzfläche geschoben. Das Mädchen, das immer ins Licht gestarrt hatte, starrte jetzt auf die Apparatur. Wie der Moderator verkündete, war der erste Preis ein Trip zum Riff, der zweite eine Übernachtung im Backpacker On the Wallaby , der dritte ein Cocktail nach Wahl. Miriam meldete Ralf und sich an.
    Der Wettbewerb ging eine halbe Stunde später los. Ralf kam als Erster dran. Als er sich auf den Kunstlederrücken setzte, wurde er mit Sonderapplaus bedacht. Ihm war etwas mulmig zumute, aber die ersten Sekunden ging alles gut - gerade als er dachte, das sei ja einfach, bockte das elektrische Biest, Ralf fiel nach vorne, nach hinten und hinunter. Dabei knallte sein Handgelenk auf die Oberlippe, die sich gleich ziemlich dick anfühlte.
    Miriam war die Nächste. Ralf wusste nicht, wie sie es anstellte, aber sie schien ewig oben zu bleiben, und als sie doch abgeworfen wurde, sah es halbwegs kontrolliert aus.

    Sie landete auf dem zweiten Platz, Ralf unter »ferner liefen«. Im Werbeprospekt zu Miriams Preis, der Übernachtung im Backpacker On the Wallaby , wurde Schnabeltier-Anschauen als eine der Attraktionen genannt.
    »Gehst du mit mir dahin?«, fragte sie. »Platypusse sind superniedlich, du weißt ja, meine Lieblingstiere.« Sie zeigte auf das Schnabeltier auf ihrer Patchwork-Hose.
    »Neben Pinguinen und Schildkröten.«
    »Ich hab noch nie einen Platypus in freier Wildbahn gesehen.
    Sie sind sehr scheu, man kriegt sie selten zu Gesicht. Versprichst du, dass du mitgehst?«
    Ralf stellte sich das eher langweilig vor, aber ihr schien es wichtig zu sein.
    »Okay.«
    Sie sah ihm tief in die Augen. »Ralf - versprochen? Das ist etwas Weihevolles, eine Zeremonie, wie ein alter Tempelritus. Da muss man absolut still sitzen und darf keinen Scheiß machen.«
    Wie in der Kirche, dachte Ralf. In seiner Vorstellung trug Miriam einen Brautschleier, aber nach den Segensworten bekam den Kuss nicht er, sondern ein nasspelziges Schnabeltier.
    »Versprochen, wenn du zuvor mit nach Crocodylus Village kommst.«
    »Was ist das?«
    »Das ist ein Camp im Dschungel

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