Bis auf die Knochen
Handteller, Schreibkanten und Handgelenke.«
» Wie das? Die meisten haben Sie mir doch schon abgenommen? Und ich habe gedacht, es k ä me sowieso in erster Linie auf die Abdr ü cke der Fingerspitzen an.«
» Das ist witzig «, sagte er. » Viele Kriminelle achten sehr sorgf ä ltig darauf, keine Abdr ü cke ihrer Fingerspitzen zu hinterlassen. Aber bei den R ä ndern der Hand oder dem Handgelenk denken sie sich nichts. Diese Tintenabdr ü cke werden in einem Umschlag versiegelt und dem Beamten, der die Ermittlung leitet, pers ö nlich ü bergeben. Damit haben Ermittler und Kriminaltechniker am Tatort gr öß ere Chancen, etwas zu finden.«
» Kluger Gedanke «, sagte ich. » Ich w ü nschte nur, sie w ü ssten, wo der Tatort war. Wo Dr. Carter ermordet wurde.« Pl ö tzlich schaute auch er unbehaglich drein. Diese Wirkung hatte ich zur Zeit ö fter auf Menschen. Er sagte nicht viel, w ä hrend er die Abdr ü cke in Tinte abnahm, und als er fertig war und mir einige Feuchtt ü cher reichte, um mir H ä nde und Handgelenke abzuwischen, wirkte er erleichtert, mich an seine Kollegin weiterzureichen, eine freundliche Beamtin, die mir eine Reihe von Routinefragen stellte – Name, Adresse, Alter, Geburtsdatum, Sozialversicherungsnummer, einige grundlegende medizinische Informationen und so weiter – und meine Antworten mit flinken Fingern eingab. Sie ü bertrug auch einige Informationen von dem Haftbefehl, den Detective Evers bei unserer Ankunft ausgeh ä ndigt hatte.
W ä hrend sie tippte, fiel mir ein stetiger Strom von uniformiertem Personal durch den Zugangsbereich auf. Sie kamen einzeln oder zu zweit und gingen keiner mir ersichtlichen Aufgabe nach. Schlie ß lich d ä mmerte mir, dass sie auf Besichtigungstour waren und dass ich das Objekt ihrer Neugier war. Bei dem Gedanken lief ich in einer Mischung aus Dem ü tigung und Zorn rot an, doch ich gab mir alle M ü he, ruhig zu bleiben. Schlie ß lich nickte ich und sagte Hallo, und das brachte die Sache wieder ins Lot: Die Gaffer, die beim Gaffen erwischt wurden, waren jetzt genauso besch ä mt wie ich.
Nachdem die Beamtin fertig war mit Tippen – sie produzierte in k ü rzerer Zeit mehr Anschl ä ge mit unsichtbaren Ergebnissen als irgendjemand sonst, den ich je hatte beobachten d ü rfen, au ß er vielleicht eine Angestellte am Ticketschalter einer Fluggesellschaft –, schaute sie auf und l ä chelte. » Okay, ich glaube, wir haben alles. Sergeant Andrews ist gleich f ü r Sie da. W ü rde es Ihnen etwas ausmachen, in dem Raum dort dr ü ben Platz zu nehmen? « Sie zeigte auf ein kleines Nebenzimmer, das von dem gr öß eren Raum getrennt war. Ich zeigte dahin, wo drei Inhaftierte in gestreifter Gef ä ngniskluft auf Edelstahlb ä nken ausgestreckt lagen.
» Nicht zu den anderen M ä nnern dort? «
» Nein, Sir «, sagte sie. » Man hat uns gesagt, Sie seien ein VIP. Das bedeutet, dass Sie von den anderen Inhaftierten getrennt werden.« Sie schenkte mir ein weiteres L ä cheln, und es wirkte ehrlich. Selbst hier, im finsteren Unterbauch der Gesellschaft, gab es ein Klassensystem, und DeVriess hatte so lange verhandelt, bis ich unter die oberen Zehntausend kam.
» Nun, vielen Dank f ü r Ihre Freundlichkeit «, sagte ich. »Es ist gut zu wissen, dass ich unter den Mordverd ä chtigen ein VIP bin. Nur damit Sie es wissen, ich habe Dr. Carter nicht umgebracht.«
Jetzt lief auch sie puterrot an und senkte den Kopf. Verdammt, dachte ich, ich schon wieder mit meiner gro ß en Klappe.
Ich stahl mich auf die Bank und setzte mich. Innerhalb von f ü nf Minuten tauchte Sergeant Andrews auf. » Dr. Brockton, Ihre Kaution wurde hinterlegt, und wir werden Sie jetzt aus der U-Haft entlassen. Wenn Sie mir bitte durch diesen Flur folgen wollen, wir k ü mmern uns dann um alles.«
Eine automatische Glast ü r auf der einen Seite des Zugangsbereichs schob sich auf, die zu einem Aufzug und einer Treppe f ü hrte. Dahinter glitt eine weitere T ü r f ü r uns zur Seite und lie ß uns in einen Bereich ein, der mit ABGANG gekennzeichnet war und praktisch ein Spiegelbild von ZUGANG war, au ß er dass hier die Ger ä tschaften f ü r die Verbrecherfotos und die Fingerabdr ü cke fehlten. Eine weitere Beamtin an einem Computertisch – ebenfalls eine freundliche Beamtin mit blondem Haar – reichte mir meine Besitzt ü mer und einen Marker. Mit dem Marker unterzeichnete ich auf der Linie am unteren Ende der T ü te, womit ich best ä tigte, dass mir meine Sachen alle
Weitere Kostenlose Bücher