Bis auf die Knochen
wandte sich ab, drehte sich dann aber noch einmal um und gab mir einen raschen Kuss auf die Lippen. » Es tut mir leid, dass ich gehen muss «, sagte sie. » Ich hatte mich sehr auf das Abendessen gefreut. Und auf den Nachtisch.«
Sie tapste in die Diele zur ü ck und zur Haust ü r hinaus. Als diese hinter ihr ins Schloss fiel, piepste die Zeitschaltuhr an der Mikrowelle, um mir anzuzeigen, dass die Holzkohle wohl so weit war. Ich nahm den Teller mit den Steaks und ging auf die hintere Veranda.
7
Das Klingeln des Telefons klang von ganz weit weg, und ich trieb aus einem tiefen, z ä hfl ü ssigen Schlaf hoch, um dranzugehen.
» Bill? Hier ist Jess.«
Ihre Stimme und ihr Name rissen mich wach. » Jess? Wie sp ä t ist es? Wo bist du? Geht’s dir gut? «
» Es ist gegen vier. Ich bin gerade vom Tatort nach Hause gekommen. Bill, k ö nntest du … k ö nntest du einfach ein paar Minuten mit mir reden? Mich ein bisschen beruhigen? « Ihre Stimme zitterte und klang, als sei ihre Nase verstopft, als h ä tte sie geweint.
» Klar, Jess. Nat ü rlich. Erz ä hl mir, was los ist.«
» Kann sein, dass ich das noch rausfinden muss «, sagte sie. Ihre Atmung schien mit ihr durchzugehen; ich konnte h ö ren, dass sie M ü he hatte, sie unter Kontrolle zu bringen. » Es war ein schlimmer Tatort. Brutal. Wie eine biblische Vergeltung. Ü berall Blut. Das Opfer mit Stichwunden ü bers ä t. Mehrere Hundebisse. Zwei niedergemetzelte Hunde.«
» Zwei? «
» Zwei. Der eine geh ö rte dem Opfer, der andere einem der T ä ter.«
» War das ein Hundekampf, der auf die Menschen ü bersprang? «
» Nein. Andersrum. Wir haben die Geschichte von zwei Zeugen geh ö rt. Einem Wohnungslosen, der oft unter der Br ü cke schl ä ft, wo es passiert ist, und einem Fahrradfahrer, der gleich oben auf dem H ü gel war. Anscheinend hatte das Opfer ö fter Stress mit einer Hand voll Rabauken, die regelm äß ig unter der Br ü cke im Park rumh ä ngen. Das Opfer war ein Jogger; sie hatten ihn wohl schon eine Weile schikaniert. Wenn er einen Funken Verstand besessen h ä tte, h ä tte er sich einen anderen Ort gesucht, um mit seinem Hund joggen zu gehen.«
» Die Menschen tun nicht immer, was zu ihrem Besten ist «, sagte ich. Es klang dumm, wie ich es sagte, doch mir fiel nichts Besseres ein. Ich wusste einfach nicht, was zu h ö ren ihr guttun w ü rde.
» Die Polizei hat mit seiner Freundin gesprochen. Der Typ war, wie sich herausgestellt hat, Biologielehrer. Anfang drei ß ig. Idealistisch. Hatte im letzten Herbst erst angefangen, an einer dieser speziellen Schulen in der Innenstadt zu unterrichten. Wollte durch Bildung die Welt retten – oder wenigstens die Kids in einem der sozialen Brennpunkte, die es da gibt. Er war von Meigs County hergezogen, um die Stelle anzutreten. Auf dem Land hatte er ein Haus mit einem gro ß en Grundst ü ck f ü r den Hund gehabt, sagt die Freundin. Australian Shepherd. Er wollte ihn nicht in eine Wohnung einsperren. Hatte wohl das Gef ü hl, er sei es ihm schuldig, jeden Tag einmal mir ihm irgendwo zu laufen, wo Gras und B ä ume waren, um es wiedergutzumachen.«
» Und deswegen wurde er umgebracht? Das ist traurig «, sagte ich.
» Es wird noch trauriger «, sagte sie. » Die Freundin sagt, als die Rabauken anfingen, ihn zu piesacken – vor einer Woche oder so, glaubt sie –, hat er versucht, vern ü nftig mit ihnen zu reden. Ich meine, das sind die gro ß en Br ü der der Kinder, die er jeden Tag unterrichtet. Aber sie haben ihn einfach nicht in Ruhe gelassen, und er wollte nicht den Schwanz einziehen. Wie Hunde, die mit gestr ä ubtem Fell steifbeinig einander umkreisen. Sie hat ihn gebeten, sich vom Park fernzuhalten, aber er hat gesagt, wenn man einmal anfinge wegzulaufen, w ü rde man nie mehr aufh ö ren. Also kaufte er sich ein Messer und steckte es ein, wenn er joggen ging. So ä hnlich wie das gezackte Ding, das Miranda gestern bei sich trug.«
» Damit ist gegen so eine Gang nicht viel auszurichten, oder? «
» Wir haben noch keine Laboranalysen durchgef ü hrt, aber ich glaube, dass es doch einiges angerichtet hat. Drei verschiedene Blutspuren f ü hren vom Tatort weg. Er hat den Kampf seines Lebens geliefert.«
» Glaubst du, ein Teil der Verletzungen geht auf das Konto seines Hundes? Hat er sein Leben gegeben, um sein Herrchen zu besch ü tzen? «
» Nein «, sagte sie. » Das glaube ich nicht. Er …« Sie atmete jetzt in rauen, keuchenden Z ü gen. » Der Typ … das Opfer … er
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