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Bis auf die Knochen

Bis auf die Knochen

Titel: Bis auf die Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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die Finger zu schauen, was sie machen – deswegen wird auch keiner von ihnen je einen eigenen Computer im Schlafzimmer stehen haben. Jedenfalls nicht, bis sie aufs College gehen.«
    » Klingt, als w ä rt ihr sehr vorsichtig.«
    » Das sind wir «, sagte sie, » aber wir k ö nnen ihnen nat ü rlich nicht ununterbrochen auf die Finger schauen. Sie haben auch in der Schule, in der B ü cherei und bei Freunden Zugang zu Computern. Wir tun unser Bestes, um daf ü r zu sorgen, dass auch dort strenge Regeln gelten, aber fr ü her oder sp ä ter werden sie neugierig und sto ß en auf Dinge, die uns sicher nicht gefallen. Alles, was wir tun k ö nnen, ist, zu hoffen und zu beten, dass sie bis dahin eine sehr solide Basis haben.«

6
    Ich hörte ein lautes Klopfen an meiner Haustür, doch bevor ich dort war, ging die T ü r klappernd auf, und Jess Carter rief: » Bill? Ich bin hier, und ich habe Hunger. Wo bist du? Und wo ist das Essen? «
    » Hier hinten in der K ü che «, rief ich. » Geradeaus durch.« Sie trampelte in ihren Stiefeln ü ber den Schiefer in der Diele. Es lag nur an den Materialien, aus denen die Abs ä tze gefertigt waren, doch es hatte mich immer schon fasziniert, dass Frauenschuhe sich meistens viel lauter ank ü ndigten als M ä nnerschuhe. Die Strategie der Designer, falls es eine solche war, ging auf, zumindest bei mir.
    Sie tauchte, eine Einkaufstasche in jeder Hand, in der K ü chent ü r auf und stellte die Stoffbeutel auf die Granitarbeitsfl ä che. » Bist du immer noch abstinent? «
    Ich nickte.
    » Hab ich’s mir doch gedacht. Aber ich habe vorgesorgt.« Aus einer Tasche brachte sie eine Dreiviertelliterflasche Wodka und eine Flasche Preiselbeersaft-Cocktail zum Vorschein.
    » Was ist in der anderen Tasche? Zigarren f ü r nach dem Essen? «
    Sie verzog das Gesicht. » Pfui Teufel, nein. Etwas viel Leckereres. Du hast Steak und Spargel und Kartoffeln erw ä hnt, aber du hast nichts von einem Nachtisch gesagt.« Sie angelte aus der anderen Tasche einen flachen, breiten Karton, auf dem eine goldbraune Obsttorte abgebildet war, laut Etikett eine » Razzleberry « -Torte.
    » Was ist denn Razzleberry f ü r eine Beere? «, fragte ich. »Nie geh ö rt.«
    » Nicht ist, sind «, sagte sie. » Zwei Beerensorten, Himbeeren und Brombeeren. Jede f ü r sich schon sehr lecker, aber zusammen unschlagbar. Das perfekte Paar, k ö nnte man sagen. Genau wie wir.« Sie sah mich eindringlich an und zog die linke Augenbraue ungef ä hr zweieinhalb Zentimeter hoch, w ä hrend die rechte vollkommen ruhig blieb.
    Ich lachte. » Wie machst du das? «
    » Was, das? « Sie machte es noch einmal, diesmal mit der rechten Augenbraue.
    » Ja. Das ist verbl ü ffend. Wo hast du das gelernt? «
    » Flei ß iges Ü ben. W ä hrend die anderen Medizinstudenten Leichen seziert haben, habe ich vor dem Spiegel die Gesichtsgymnastik perfektioniert. Und mir solche unentbehrlichen F ä higkeiten wie diese angeeignet.« Pl ö tzlich zog sich eine Seite ihres Munds zu einem m ä chtigen L ä cheln nach oben, w ä hrend sich die andere Seite zu einer ü bertriebenen, clownesken Trauermiene nach unten zog. Es war, als w ü rden unsichtbare H ä nde an beiden Seiten ihres Gesichts in entgegengesetzte Richtungen ziehen. Ich sch ü ttelte staunend den Kopf. » Reine Muskelisolation «, sagte sie. » Wie beim Bauchtanz, nur weiter oben.« Sie gab noch einmal die Augenbraue, um das Sp äß chen zu unterstreichen.
    Ich versuchte, es nachzumachen. Mein ganzes Gesicht verzog sich vor Anstrengung. Sie schnitt in gespieltem Entsetzen eine Grimasse. Ich versuchte es noch einmal, und diesmal sp ü rte ich, wie meine Kopfhaut sich verschob und meine Ohren zuckten. » Autsch. Ich glaube, ich habe gerade einen Muskel benutzt, von dem ich gar nicht wusste, dass ich ihn habe.«
    Sie t ä tschelte mir kopfsch ü ttelnd den Arm. » Ganz ruhig. Wir haben alle unsere besonderen Talente. Ich bin mir sicher, eines Tages entdeckst du auch deine.«
    » Hm «, sagte ich. » Jetzt behandelst du mich g ö nnerhaft.«
    » Jeder braucht einen G ö nner «, meinte sie.
    Ich holte ein hohes Glas aus dem Schrank, gab aus dem Eisschrank Eisw ü rfel hinein und reichte es ihr. Sie stellte es auf den Arbeitstresen, schenkte zur H ä lfte Wodka ein und goss mit Preiselbeersaft auf.
    » Du musst das nicht abmessen? «
    » Wir sind hier nicht in einem Chemielabor «, sagte sie. »Ziemlich viel Spielraum f ü r Fehler.« Sie nahm einen kr ä ftigen Schluck und l ä chelte

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