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Bis auf die Knochen

Bis auf die Knochen

Titel: Bis auf die Knochen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jefferson Bass
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Vielleicht. Wem der Pitbull geh ö rte, wird ziemlich leicht rauszufinden sein. Und ich glaube, einige der Blutproben am Tatort werden wir den Angreifern zuordnen k ö nnen, falls wir sie finden. Aber wenn die Zeugen sich verkr ü meln und kein Wort mehr sagen, d ü rfte es schwierig werden, die Kerle vor Gericht zu bringen. Zum Teufel, sie k ö nnten sich sogar zusammentun und auf Selbstverteidigung pl ä dieren: Ein gro ß er, b ö ser wei ß er Mann ist mit einem Messer auf sie losgegangen, und sie haben um ihr Leben gef ü rchtet. Nicht die Wahrheit, aber wenn vier oder f ü nf Kerle das mit glaubw ü rdigen Gef ü hlen im Zeugenstand aussagen, d ü rfte es schwer sein, Geschworene zu finden, die sie alle miteinander als L ü gner abstempeln.«
    Jess war Medical Examiner; ihre Rolle war es, die Todesursache zu bestimmen, nicht, eine Verurteilung zu erreichen. Doch sie war auch ein Mensch mit einem starken Gef ü hl f ü r Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, und ich verstand ihre Entt ä uschung. » Vielleicht geht es ja gut aus «, sagte ich mit mehr Optimismus, als ich empfand.
    » Ja, richtig. Wei ß t du, was mich an der Sache noch w ü tend macht? «
    » Was? «
    » Die Geschichte erf ü llt s ä mtliche verdammten rassistischen Klischees, gegen die ich mich im S ü den vierzig Jahre lang zur Wehr gesetzt habe «, sagte sie. » Wenn es schon passieren musste – wenn dieser Kerl von einem Haufen wilder Rabauken ermordet werden musste, warum konnten es dann keine wei ß en Rabauken sein, Bill? «
    » Ich wei ß es nicht, Jess. Ich wei ß es nicht. Ich glaube, du hast recht: Wenn sich nichts ä ndert, steuern wir auf ein Riesenproblem zu. Und wie es aussieht, besitzen wir selbst nach all den Jahren weder die Klugheit noch den Willen, uns darum zu k ü mmern.«
    Wir schwiegen beide eine Weile.
    » Gott, ich bin so m ü de, Bill. M ü de und kalt. Wenn ich so m ü de bin, wird mir eiskalt. Alles, was ich im Augenblick m ö chte, ist, unter die Decken kriechen und eine Woche lang schlafen.« Ihre Atemz ü ge waren jetzt tief und regelm äß ig. Auch mein eigener Atem wurde immer ruhiger, um im Takt mit ihr zu bleiben, und mein Hirn schaltete ü berraschend leicht wieder auf Schl ä frigkeit um.
    » Glaubst du, du kannst jetzt schlafen? «
    » Vielleicht «, sagte sie. Ihre Stimme klang, als w ä ren Entsetzen und Wut daraus gewichen, doch die Trauer war noch da. » Ich glaube schon. Ich hoffe es. Ich muss schlafen.«
    » Wenn du nicht schlafen kannst «, sagte ich, » dann ruf mich noch mal an, dann halte ich dir eine Vorlesung in Osteologie: › Morphologische Eigenschaften schaufelf ö rmiger Schneidez ä hne bei den Indianern Nordamerikas‹, da schnarchst du unter Garantie sp ä testens nach f ü nf Minuten. Okay? «
    Die einzige Antwort war ein leises, damenhaftes Schnarchen am anderen Ende der Leitung.
    Ich lauschte sehr lange Jess’ Schlaf. Irgendwann d ö ste ich wieder ein, glitt in den Schlaf und wieder hinaus, als triebe ich einen langsamen Fluss hinunter, bewegte mich von der Sonne in den Schatten und zur ü ck. In einem wachen Augenblick d ä mmerte mir, dass dies in den zwei Jahren seit Kathleens Tod das erste Mal war, dass ich mit einer Frau schlief, wenn auch per Ferngespr ä ch. Die Intimit ä t – die Verletzlichkeit und das Vertrauen und die einfache k ö rperliche Gemeinschaft – lie ß mir fast das Herz bersten.
    » Schlaf gut, Jess «, fl ü sterte ich und legte den H ö rer wieder auf die Gabel.

8
    Meine Studentinnen und Studenten würden gar nicht gl ü cklich sein.
    Vor einer Woche hatte ich angek ü ndigt, die heutige Vorlesung werde sich mit dem forensischen Fall befassen, der sich im Laufe der Jahre als der Lieblingsfall der Studierenden herausgestellt hatte: meine Dias ü ber die niedertr ä chtigsten Serienmorde Knoxvilles. Auf einem bewaldeten H ü gel, nur einen Steinwurf von der I-40 entfernt, waren etwa elf Kilometer ö stlich der Innenstadt vier Frauenleichen gefunden worden. Die Zeitungen titulierten den Mann, den man der Morde anklagte, als » Zoomann «, weil das sein Spitzname unter den Prostituierten Knoxvilles war. Der Name bezog sich sowohl auf seinen zeitweiligen Arbeitsplatz als auch auf eine Scheune, wohin er oft Nutten mitnahm. » Nimm dich vor dem Zoomann in Acht «, warnten Nutten einander, denn h ä ufig schlug er die Frauen, die er zum Sex kaufte. Polizei und Staatsanwaltschaft zufolge brachte er sie auch gerne um. Der Mordprozess – der l ä ngste und teuerste

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